Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Lucifer Direktive

Titel: Die Lucifer Direktive
Autoren: Jon Land
Vom Netzwerk:
BLUTIGER SAMSTAG
1
    Im Schrittempo kroch der Lieferwagen den Mountain Terrace Lane hinunter. Erst vor ein paar Stunden von einem öffentlichen Parkplatz gestohlen, trug er die offizielle Aufschrift der Fairfax County Gas Company, auf diesen Straßen selbst an einem Samstagabend kein ungewöhnlicher Anblick. Vor Montag würde niemand ihn vermissen, und bis dahin würde die Bevölkerung von Alexandria, Virginia, andere Sorgen haben.
    »Du fährst zu langsam«, mahnte der große Mann auf dem Beifahrersitz die Fahrerin des Transporters und nestelte an der grünen Mütze in seinem Schoß herum. »Bieg hinter dem Haus rechts ab und fahr einmal um den Block.«
    Die Fahrerin spürte, wie sich ihre Zehen unwillkürlich verkrampften, als sie das Gaspedal durchdrückte. Die Versuchung, alles hinzuschmeißen und zu flüchten, überkam sie wieder und wurde sogleich unterdrückt, weil dieser Schritt von der gleichen Logik war wie das Verhalten einer Maus, die ihren Hals für ein Bröckchen Käse riskierte. Sie erwog einige andere Taktiken, verwarf sie aber. Die Zehen entspannten sich, aber gegen das rhythmische Klappern ihrer Zähne war sie machtlos.
    Der Transporter fuhr dicht an einem weißen Haus mit Säulen ums Portal vorüber, aus dessen rückwärtigem Garten Rockmusik dröhnte. Sie spürte, wie der große Mann die Szene mit den Augen in sich aufsog.
    »Wie viele Wachen?« fragte sie und drehte dabei das Steuer nach rechts. Sie war wieder bei der Sache.
    »Vier, genau wie wir gedacht haben. Zwei mit Schrotflinten, zwei mit Seitengewehren. Ein Klacks.«
    Er schob sein blondes Haar hinter die Ohren zurück und setzte die grüne Baseball-Kappe auf, wobei er den Plastikschirm tief in die Stirn zog. Zwei leichte Schläge gegen die Trennwand hinter ihm signalisierten den vier Männern im Laderaum des Transporters, sich ebenfalls bereitzuhalten.
    Die Fahrerin bog wieder auf den Mountain Terrace Lane ein.
    »Let's go«, gab der große Mann das Kommando.
    Lässig hob er das Kalaschnikow-Schnellfeuergewehr vom Boden auf. Es war eine prächtige Waffe, mit der man einen Menschen in Stücke schießen oder ein Dutzend mit Dauerfeuer niedermähen konnte. Der Gedanke ließ ihn erschauern. Sein Mund war wie ausgetrocknet, aber er hatte einen vertrauten Geschmack. Kreideartig und scharf. Angenehm.
    Er beobachtete, wie die hohen Scheinwerfer des Transporters sich in die Nacht fraßen, die Dunkelheit verschluckten und hinter sich wieder auf den Weg spien.
    Im Innern des großzügigen weißen Hauses stand Alexander Levine beunruhigt am Fenster seines Arbeitszimmers im ersten Stock, von dem aus man in den Garten sehen konnte. Unten gluckten die Freunde seines Sohnes in verschieden großen Grüppchen zusammen, wobei die Jungen sich im Moment augenfällig von den Mädchen absonderten. Aus einer gemieteten Stereoanlage dröhnte Musik. Zwei Männer in weißen Jacken bedienten am Erfrischungstisch. Levine versuchte, seinen Sohn im Gewühl ausfindig zu machen, was ihm aber nicht gelang und ihn noch besorgter machte.
    Heute war der Tag der Bar-Mizwa seines Sohnes. Ein Tag, an dem er entspannt, stolz und in festlicher Stimmung hätte sein sollen. Er hatte auch tatsächlich so angefangen, aber ein brauner Umschlag, der an der Haustür abgegeben worden war, hatte alles verändert. Und jetzt wünschte er, er hätte sich nicht von seinem Sohn zu dieser Party überreden lassen. Aber er hatte festgestellt, daß er jetzt, im Alter von fünfzig Jahren, Jasons Launen und Wünschen immer öfter nachgab. Er war zu alt, um der Vater zu sein, der er so verzweifelt gern gewesen wäre, und jung genug, es zu wissen. Also kompensierte er dies, indem er den Jungen verwöhnte. Dabei waren ihm seine eigenen Unzulänglichkeiten immer bewußt, und er hoffte nur, daß sie Jason nicht ebenso bewußt waren.
    Levine wischte sich mit dem Jackettärmel über die Stirn und starrte auf das Bild, das sich im Garten bot: vierzig Jungen und Mädchen, kein Kind über vierzehn, hatten die Anzüge und Kleider vom Vormittag gegen Cordhosen oder Jeans getauscht, über die sie Pullover oder leichte Jacken trugen. Kinder an jenem Scheideweg im Leben, an dem Beunruhigung kaum von Belang und Sorgen gar von noch geringerer Bedeutung waren. Wie sehr Levine sie beneidete. Er warf einen Blick auf den braunen Umschlag oben auf dem Schreibtisch, eine Nachricht vom Doctor.
    Das Isosceles Project … Er mußte es aufhalten. Die Zukunft stand auf dem Spiel. Seine eigene, Jasons, die der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher