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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Autoren: Jan Beinßen
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haben wir seine traumatischen Erlebnisse überwunden . . .«
    » › Verdrängt ‹ wäre wohl der passendere Ausdruck«, unterbrach Paul.
    Hertel blickte ihn grimmig an. »Für ihn war es einfach die beste Möglichkeit, den Verlust seiner Familie zu verkraften.«
    »Indem Sie ihm eingeredet haben, er hätte niemals eine gehabt?«, fragte Paul provokativ.
    »Er war ein kleiner Junge, der vor dem Nichts stand«, dröhnte Hertel jetzt, »ich habe ihm eine neue Zukunft gegeben.«
    »Oh Gottfried«, sagte Fink leise. Er war noch immer kreidebleich. »Soll das heißen, dass es einen Überlebenden der Familie von Buchenbühl gab?« Seine Stimme zitterte. »Die Kirche ist also gar nicht die legitime Erbin des von Buchenbühlschen Vermögens und der Grundstücke?«
    »Es sollte nie bekannt werden«, sagte Hertel. Trotz schwang in seiner Stimme mit. »Mit der Lösung war im Grunde genommen jedem gut gedient! Henlein führte ein alles in allem zufriedenes Leben, die Kirche verfügte über ein ausreichendes Finanzpolster, und die moralische Belastung habe ich in den ganzen Jahren allein auf mich genommen. – Alles wäre so geblieben, wenn Henlein nicht diesen unsäglichen Dr. Sloboda kennengelernt hätte. Ein uneinsichtiger Querkopf. Atheist durch und durch«, zürnte der alte Pfarrer.
    »Und der Heraldiker aus dem Germanischen Nationalmuseum erkannte in Henleins Medaillon die Madonnenlilie aus dem Wappen der von Buchenbühls wieder«, ergänzte Paul.
    »Schlimmer noch«, sagte Hertel verbittert, »durch Henleins Gespräche mit Dr. Sloboda wurden einige seiner verdrängten Kindheitserinnerungen wieder wachgerufen. Er begann, seine verborgenen Wurzeln, seine Abstammung zu entdecken.« Hertel führte seine geballte Faust vor seinen Mund und sagte gepresst: »Zunächst habe ich mich bemüht, meinen Einfluss auf Henlein zu verstärken. Aber er ließ sich von mir nicht beeinflussen. Dann habe ich seine Frau gebeten, mäßigend auf seine wachsenden Ambitionen bezüglich der Ahnenforschung einzuwirken. Ebenfalls ohne Erfolg. Es gab für mich keinen anderen Weg: Ich musste mir Dr. Sloboda persönlich vornehmen.«
    »Was hast du getan?«, fragte Fink mit vor Schock brechender Stimme. »Gottfried, was hast du bloß getan?«
    »Ich habe versucht, mit Dr. Sloboda zu reden. Ein kultiviertes Gespräch zwischen zwei gebildeten Menschen sollte es werden. Irrigerweise war ich davon ausgegangen, dass dieser Wissenschaftler nicht nur seine Heraldik im Kopf hat, sondern sich auch über die Tragweite weiterer Forschungen zu dem Buchenbühl-Wappen im Klaren sein musste. Ich versuchte, ihn zu überzeugen. Aber alles Argumentieren half nichts: Er wollte Henlein weiterhin unterstützen.«
    »Gottfried – sag bitte, dass das alles nicht wahr ist!«, appellierte Fink an seinen Freund und Kollegen.
    »Sloboda war nicht nur uneinsichtig, sondern auch noch störrisch. Er zeigte nicht den geringsten Respekt vor mir. Ich kenne diese Typen«, sagte Hertel voller Verachtung. »Sie hassen die Kirche. Wollen uns fertig machen. Sloboda drohte sogar damit, mich anzuzeigen. Er musste selbst bereits Rückschlüsse gezogen haben – es war ja allgemein bekannt, dass die Kirche die Verwaltung des Buchenbühl-Erbes übernommen hatte.«
    »Du hast ihn mit dem Schwert erschlagen?«, fragte Fink, um Fassung ringend. »Du hast ihn wie ein gemeiner Mörder niedergemetzelt?«
    »Es war eine Tat im Affekt, Hannes!«, rechtfertigte sich Hertel. »Während wir uns die Wappen auf der Scheide des Schwertes ansahen, hat Sloboda die schlimmsten Gotteslästerungen von sich gegeben. Er hat all unsere Werte in den Schmutz gezogen. Er hat mich so in Rage versetzt, dass ich nicht anders handeln konnte!«
    Paul gab seine Position am Zutritt zum Glockenhaus auf. Er bückte sich unter den Querbalken hindurch und ging langsam auf Pfarrer Hertel zu. »Ich glaube, es ist das Beste, wenn wir jetzt alle gemeinsam nach unten gehen.« Paul versuchte, besonnen zu klingen, um vor allem Fink zu beruhigen. Keinesfalls durfte die Lage hier oben auf dem Turm außer Kontrolle geraten.
    Schritt für Schritt näherte er sich Hertel. Als Paul noch knapp einen Meter von ihm entfernt war, hob er beschwichtigend die Hände. »Ich begleite Sie jetzt die Treppen hinunter, und dann reden wir noch einmal über alles«, sagte er.
    In diesem Moment griff Hertel unter seinen Talar. Noch ehe Paul begreifen konnte, was vor sich ging, zog der Altpfarrer eine Kette hervor. »Das hier haben Sie doch gesucht, oder?«,
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