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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Autoren: Jan Beinßen
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seinen Fotoapparat und die Digitalaufnahmen des Morgens zu retten, sah er, wie es den Landtagsabgeordneten und den Fischereiexperten erwischte: Eine hüfthohe Welle, aus der zuhauf wild schlagende Schwanzflossen auftauchten, riss die beiden Würdenträger mitsamt ihrem Stehpult zu Boden. Die Anzüge sind für immer ruiniert, dachte Paul und grinste schief.
    Die fischreiche Flut ebbte so schnell wieder ab, wie sie gekommen war. Paul nutzte die allgemeine Konfusion, um die skurrile Szenerie mit seiner Kamera festzuhalten. Er fotografierte entsetzte Ehrengäste, zu deren Füßen Dutzende fette Karpfen zappelten, und Kinder, die den gestrandeten Fischen lachend an den Flossen zupften. Dazwischen rannten aufgeregt die Erntehelfer hin und her, die die Fische mit bloßen Händen einzufangen versuchten, um sie in kleinere Nebenbecken und eilig herbeigeschaffte Eimer zu setzen. Trotz des anfänglichen Schreckens, seiner nassen Hosen und aufgeweichten Schuhe begann der Vorfall Paul zu amüsieren.
    Seine gute Stimmung verflog jedoch sofort, als er im Blickfeld seines Suchers jemanden erkannte, der ihm hier und jetzt ganz und gar nicht in den Kram passte.
    Paul setzte seine Kamera ab, als die hagere Gestalt auf ihn zusteuerte: Blohfeld verweilte bei der Betrachtung des durchnässten Pauls und lächelte dann schadenfroh. Obwohl ein sonnenverwöhnter Sommer hinter ihnen lag, war das Gesicht des Polizeireporters fahl geblieben und damit fast so grau wie seine viel zu langen Haare.
    Paul nahm Blohfelds unerwartetes Auftreten skeptisch zur Kenntnis – jedesmal, wenn er es mit dem Reporter zu tun bekam, wurde er in Angelegenheiten verstrickt, die ihm bisher nichts als Unannehmlichkeiten beschert hatten. Mit seinem unweigerlich näherrückenden vierzigsten Geburtstag sehnte sich Paul nach einem geordneten und vor allem ruhigeren Lebenswandel. Blohfeld jedoch verkörperte das genaue Gegenteil dessen – und sein alarmierend süffisantes Lächeln ließ ganz sicher nichts Gutes vermuten.
    Verschmitzt blickte Blohfeld ihn aus seinen kleinen, aber intelligenten Augen an. Dann deutete er auf Pauls durchnässte Kleidung: »Das müssen Sie aber in die Reinigung geben«, er hielt sich demonstrativ die schmale Himmelfahrtsnase zu. »Den Fischgeruch bekommen Sie sonst nie wieder heraus.«
    Paul rang sich einen neutralen bis mäßig freundlichen Gesichtsausdruck ab. »Es hätte mir ja klar sein müssen, dass Sie hier aufkreuzen: Kein Unglück, ohne dass der Starreporter unseres geschätzten Boulevardblatts nicht sofort zur Stelle wäre.«
    »Da überschätzen Sie meine Reaktionsfähigkeit aber ein wenig«, winkte Blohfeld ab und kickte einen inzwischen leblos am Boden liegenden Fisch mit der Fußspitze beiseite. »Sie waren nicht zuhause, und Ihr Nachbar Jan-Patrick war so freundlich, mich hierher zu schicken.«
    »Aber was wollen Sie von mir?«, wollte Paul wissen.
    Anstatt zu antworten, deutete Blohfeld mit einer ausholenden Geste auf das Chaos um sie herum. »Verraten Sie mir erst mal, warum Sie neuerdings Fische anstatt nackter Frauen fotografieren?«
    Paul schaute sich peinlich berührt um. »Blohfeld, lassen Sie Ihre Anspielungen! Sie wissen ganz genau, dass ich mir neben meinen Atelieraufnahmen etwas dazuverdienen muss.« Kleinlaut fügte er hinzu: »Und deshalb fotografiere ich auch für den Fischereifachverband.«
    Der Reporter nickte mit wissendem Blick: »Genau wegen Ihrer Geldsorgen bin ich gekommen. Ich möchte, dass Sie einen Auftrag für mich erledigen. Einen anständigen.«
    »Und warum haben Sie dann nicht einfach angerufen, wie es sonst Ihre Art ist?«, fragte Paul mit immer stärker aufkeimendem Misstrauen.
    »Weil ich wusste, dass Sie den Auftrag dann sofort abgelehnt hätten.« Blohfeld grinste ihn süffisant an.
    Paul stutzte. »Wenn Sie das bereits wussten, verstehe ich überhaupt nicht, weshalb Sie sich an einem Samstagmorgen extra hierher an den Valznerweiher bemüht haben.«
    Blohfeld wählte einen sachlichen Tonfall: »Was bekommen Sie für Ihre Fischfotos? Der Stundenlohn dürfte wohl kaum über dem eines Zeitungsausträgers liegen – wenn Ihnen die Bilder nach diesem Fiasko hier überhaupt noch jemand abnimmt.« Blohfelds Stirn zog sich in Falten. »Sie führen einen extrem extravaganten Lebensstil, Flemming: Dieses Loft am Weinmarkt, die vielen Abende in teuren Restaurants und Bars, die kostspieligen Nachrüstungen Ihrer Studioausstattung – all das will doch bezahlt werden. Daher verstehe ich es nicht, warum Sie
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