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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Autoren: Jan Beinßen
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hatte sich in ihm eine Denkblockade gelöst, die bisher verhindert hatte, dass er die wahren Zusammenhänge des Falls erkannt hatte. Nun sah er klar!
    »Gut, das reicht. Vielen Dank«, sagte er und klopfte Blohfeld freundschaftlich auf die Schulter. Er wandte sich abrupt zum Gehen. »Ich muss noch dringend etwas erledigen.«
    Blohfeld sah nur kurz von seiner Arbeit auf. »Ja, ist o.k. Wir brauchen Sie hier ohnehin nicht mehr. Servus!«
    »Ade dann«, sagte Paul mit einem überlegenen Lächeln.
    Es war ihm wie Schuppen von den Augen gefallen: Er meinte zu wissen, warum Henleins Tod von Pfarrer Hertel stillschweigend gebilligt worden war. Und warum Dr. Sloboda auf so grausame Weise sterben musste. Paul ahnte, weshalb eine der Spuren zum Baulöwen Schrader geführt hatte. Und er war sich sicher, dass Henlein tatsächlich kurz davor gestanden hatte, seine Herkunft als Patrizier-Spross nachzuweisen.
    Paul glaubte jetzt auch den Verbleib von Henleins wichtigstem persönlichen Besitz zu kennen: dem Medaillon mit der Madonnenlilie aus dem Wappen der Familie von Buchenbühl.

41
    Pauls Schritte federten, er fühlte sich, als würde er über das Kopfsteinpflaster schweben. Schon bald sah er die spitzen, gotischen Turmhelme von St. Sebald vor sich.
    Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass die Gottesdienste inzwischen vorbei sein mussten, folglich würde er Hannes Fink im Pfarrhaus antreffen. Sie könnten sich bei einer Tasse Tee zusammensetzen, und Paul würde seinen Freund in aller Ruhe über Pfarrer Hertel ausfragen.
    Er war zuversichtlich, dass diese ungeheuer komplexe und tragische Angelegenheit nun sehr bald ihrem endgültigen Abschluss zugeführt werden konnte. Er selbst würde dabei den entscheidenden Hinweis geben, denn inzwischen war er so sehr in dieser Sache verstrickt, dass er sich die Auflösung nicht mehr aus der Hand nehmen lassen wollte.
    Pauls Plan stand fest: Er würde mit Hannes Fink offen über seine Vermutungen sprechen und durch dessen Meinung über Hertel letzte Gewissheit bekommen. Erst nach dem Gespräch würde er den Fall der Polizei beziehungsweise Katinkas Nachfolger bei der Staatsanwaltschaft übergeben.
    »Zu wem möchten Sie?«, fragte eine freundliche alte Dame, der Paul im Hof des alten Pfarrhauses begegnete.
    »Zu Pfarrer Fink«, gab Paul ebenso freundlich zurück. »Ich bin ein Freund von ihm. Ist er oben in der Wohnung?«
    »Nein, es tut mir leid für Sie, aber der Pfarrer arbeitet.«
    »Was?«, fragte Paul überrascht. »Am heiligen Sonntag?«
    »Gerade am Sonntag«, gab die Alte augenzwinkernd zurück. Sie deutete auf die Kirchtürme. »Er inspiziert den Glockenturm. Es scheint, dass sich wieder neue Risse im Mauerwerk gebildet haben.«
    »Oh«, sagte Paul bedauernd. »Schon wieder welche . . . danke jedenfalls.«
    Also gut, er wusste ja nun, wo es den Turm hinaufging.
    Irgendwann nach neunzig hörte er mit dem Zählen auf. Er kam ziemlich außer Atem, als er die immer enger und steiler werdende Steintreppe erklomm. Und noch hatte er gut ein Drittel des Weges vor sich! Sicherheitshalber hielt sich Paul am eisernen Handlauf fest, um auf den ausgetretenen Stufen nicht auszurutschen.
    Durch die schmalen und hohen Fensteröffnungen pfiff ein kalter Wind in das Treppenhaus. Paul fröstelte. Kurz bevor er das Ende der Wendeltreppe erreicht hatte, stieß er mit dem Ellenbogen an die unverputzte Steinwand. Er fluchte leise, hielt jedoch im nächsten Moment inne:
    Hatte er da nicht jemanden reden hören? Er wartete ab. Und tatsächlich: Wieder vernahm er Stimmen von zwei Männern. Bei dem einen handelte es sich eindeutig um Hannes Fink. Und bei dem anderen?
    Noch ein paar stark knarrende Holzdielen, und er hatte das Glockenhaus des Nordturms erreicht. Den anderen Mann neben Fink konnte er erst erkennen, als er im Glockenstuhl mit ihm auf Augenhöhe stand:
    »Herr Hertel?«, fragte Paul, wobei er seine Überraschung, den Altpfarrer hier anzutreffen, kaum verbergen konnte. Mit halb offenem Mund blickte er die beiden Männer in ihren schwarzen Talaren an.
    »Paul?«, fragte Hannes Fink ebenso überrascht. »Was machst du denn hier?« Er wechselte mit Hertel einen Blick, dann schlug er vor: »Da du dich nun schon mal die Treppen bis hier herauf gequält hast, kannst du bleiben und mit uns beratschlagen.« Er zog die Stirn in Falten. »Wir bekommen immer größere Probleme mit der Statik unserer Türme. Die Gefahr, dass Trümmer ins Kirchenschiff fallen könnten, steigt täglich.«
    Paul nickte, doch war
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