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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Autoren: Jan Beinßen
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Seufzer aus. »Nehmen wir. Und jetzt weiter: die Henlein im Polizeiwagen. Haben wir da auch was Brauchbares?«
    So ging es noch eine ganze Weile – Paul blieb stiller Beobachter. Er gehörte nicht dazu, er war nur Gast in der Redaktion. Und doch war das hier seine ganz persönliche, eigene Geschichte.
    Eigentlich hätte er sich freuen müssen, die Fotos von der Verhaftung der Henlein-Witwe zu sehen. Sie hätten für ihn eine ungeheure Genugtuung sein müssen. Immerhin – diese Frau hatte ihn verbrennen wollen. Bei lebendigem Leib! Sie hatte Schuld daran, dass er für die nächsten Wochen wohl regelmäßig Albträume haben würde.
    Aber Pauls Freude hielt sich in Grenzen. Und auch Blohfeld – das spürte er – war nur mäßig begeistert. Einerseits natürlich, weil seine Kaspar Hauser-Story den Bach hinuntergegangen war – Paul war jetzt schon gespannt auf Blohfelds abschließenden Artikel zu dem Thema. »Der Fall Hauser: Aktenzeichen XY ungelöst« – so oder ähnlich würde der Reporter die Sache wohl gestalten müssen. Mit dem angeblich von Hauser stammenden Hemd, das in der Wohnung der Henleins verbrannt war, waren auch alle Hoffnungen auf eine Genanalyse und damit auf neue Ergebnisse zerstört worden. Paul war enttäuscht, denn viele Fragen im Fall Hauser waren bis zuletzt offen geblieben. Nicht, dass er ernsthaft daran geglaubt hatte, Kaspar Hausers Geheimnis tatsächlich lüften zu können, aber was war mit den Spuren, auf die er während seiner Recherchen selbst gestoßen war? Wie war das seltsame Verhalten des Unbekannten zu erklären, mit dem er sich im Internet über Hauser ausgetauscht hatte? Gab es wirklich ein Komplott, das sich noch zwei Jahrhunderte später aus wirkte?
    Andererseits war da noch Zetschke. Würden sie diesem zwielichtigen Devotionalienhändler einen Betrug nachweisen können? Wohl kaum, sah Paul ein. Ohne das Beweisstück, das angebliche Hauser-Hemd, hatten sie nichts mehr gegen ihn in der Hand. Selbst die Tatsache, dass er neulich vor Paul Reißaus genommen hatte, würde nicht ausreichen, ihn anzuklagen. Dass Zetschke seinen Laden verlassen hatte, war kein Verbrechen – wohl aber Pauls unberechtigtes Eindringen in Zetschkes Büro!
    Paul versuchte, die Gedanken abzuschütteln. Es war müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Vielleicht würde er eines Tages – mit mehr Abstand zu diesem tragischen Fall – wieder nach Ansbach fahren, das Museum ansehen, und vielleicht würde er dann einen neuen Versuch starten, um Hauser doch noch gerecht zu werden. Aber die Zeit dafür war offensichtlich noch nicht gekommen.
    Außerdem hatte er im Moment ganz andere Sorgen. Sorgen, die Blohfeld sicher teilte, ohne offen darüber zu sprechen. Mit Frau Henlein hatten sie zwar ohne jeden Zweifel die Mörderin von Franz Henlein gefunden. Schon in den ersten Verhören hatte die Witwe das tödliche Attentat auf ihren Mann gestanden; das Verfahren würde wohl auf fahrlässige Tötung hinauslaufen oder auf gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr mit Todesfolge. Aber schon die Sache mit Paul und der Brandstiftung war diffuser. Natürlich würde sich die Witwe auch dafür verantworten müssen. Aber er war unbefugt in ihre Wohnung eingedrungen, und damit wurde dem Verteidiger eine breite Angriffsfläche geboten, und die Juristen würden viel Stoff zum Nachdenken bekommen. Schwerer allerdings wog die Tatsache, dass Frau Henlein die Beteiligung an dem Mord im Germanischen Nationalmuseum kategorisch abstritt, und zwar voller Überzeugung, wie Paul gehört hatte. Dr. Sloboda war ihr angeblich gänzlich unbekannt, und das Sachgebiet Heraldik war ihr offenkundig völlig fremd.
    Es blieb also mindestens ein Mord offen. Der Fall war nicht annähernd gelöst. Ein alles in allem unbefriedigendes Ergebnis, resümierte Paul zerknirscht.
    »Nein, nein, da fehlt noch etwas«, nahm Blohfeld unbewusst Pauls Gedanken auf. »Ich brauche mehr Emotion!«
    »Verflucht, Victor! Schieb dir deine Emotion sonst wo hin«, beschwerte sich Hans. »In fünf Minuten ist der Sport dran. Dann musst du mit deiner Seite fertig sein. Ich habe keine Lust, schon wieder wegen dir Überstunden zu schieben.«
    »Ach was«, fluchte Blohfeld, »der Sport kann mich mal! Lade mal die Beerdigungsfotos hoch. Vielleicht ist da ja was Verwertbares dabei.«
    »Die von der Beisetzung von Herrn Henlein?«, fragte der Layouter.
    »Welche denn sonst? So viele andere wichtige Beerdigungen hatten wir in den letzten Tagen ja nicht!«
    Der Layouter
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