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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Autoren: Jan Beinßen
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Strängen durchzogen – wie bei einem aufziehenden Gewitter.
    In Todesangst sah sich Paul nach einem rettenden Gegenstand um. Einem Messer, mit dem er die Fesseln durchtrennen konnte! Aber wie sollte er das Messer denn zu fassen bekommen? Trotzdem: Es musste hier doch irgendein Werkzeug geben, das er sich zunutze machen konnte!
    Fahrig suchten seine Blicke jedes Fleckchen des Küchenbodens ab. – Dann sah er plötzlich die Aktentasche. Henleins Aktentasche! Unscheinbar lehnte sie neben einem Abfalleimer in der hintersten Ecke des Raumes. Ungläubig starrte Paul sie an: Der Verschluss war zu. Hatte die Witwe sich nicht einmal die Mühe gemacht, hineinzusehen . . .?
    Im Nebel bildeten sich kleine Wirbel. Wie Minitornados streckten sie ihre fingerartigen, dünnen Fühler aus und suchten nach Bodenkontakt. Gespensterhaften Tentakeln gleich griffen sie nach Paul. Der erste senkte sich leicht auf seine Schulter, doch er schien die Berührung beinahe physisch zu spüren. Albtraumhafte Assoziationen kamen Paul in den Sinn: Der Tod streckte seine Finger nach ihm aus!
    In diesem Moment machten sich Pauls Gedanken selbstständig: Sie befreiten sich aus den Fesseln. Sie agierten losgelöst von ihm. Sie machten ihm Mut. Er sollte sich keine Sorgen machen, er hatte seinen Besuch bei der Witwe ja angekündigt. Blohfeld wusste davon. Und andere hatten es vielleicht auch mitbekommen.
    Ja: Sie alle würden ihn suchen. Ihn finden und befreien! Frische Hoffnung keimte in ihm auf: Hoffentlich kamen sie nur schnell genug. Er hatte jegliches Gefühl dafür verloren, wie viel Zeit seit seiner Bewusstlosigkeit schon vergangen war.
    Der Qualm verdichtete sich und damit auch Pauls Zweifel: Was, wenn seine Freunde gar nicht nach ihm suchten? Sie hatten ja keinerlei Grund zur Sorge. Sein Fehlen würde frühestens am Abend auffallen. Oder sogar erst am nächsten Tag. Wenn er nur wüsste, wie spät es war. Wer würde ihn so bald vermissen?
    Paul riss seinen Kopf nach oben. Der mittlerweile schwarze Rauch kratzte in seinem Hals, drang in seine Lungen ein, setzte sich fest. Paul wollte husten, aber selbst daran hinderte ihn der Knebel.
    Vermissen . . . wer würde ihn eigentlich vermissen? Katinka, wenn sie noch in Nürnberg wäre. Aber in Berlin, würde sie auch dort an ihn denken? Sie war doch so beschäftigt.
    Pauls Hoffnungen verflogen im Qualm. Mischten sich unter die wabernden Dämpfe. Seine Augen tränten. Er spürte weder Hände noch Arme, die Lähmung schien schleichend auch auf seine Schultern überzugreifen.
    Sein linkes Bein begann zu zittern. Ein Krampf. Aber egal. Bald wäre alles vorbei. Alles.
    Aber es war kein Krampf. Wieder neue Hoffnung: sein Handy, der Vibrationsalarm seines Handys löste das Zittern aus! Jemand versuchte, ihn zu erreichen! Jemand dachte in diesem Moment an ihn!
    Die Rauchwolken machten Paul das Atmen fast unmöglich, er hatte überall Schmerzen, er konnte sich nicht bewegen, aber er war ganz nahe dran, Hilfe rufen zu können. Alles, was er tun musste, war, die grüne Taste seines Handys zu drücken.
    Es war doch so einfach! Eine kleine Bewegung seines Daumens würde reichen.
    Es wäre so einfach gewesen . . . Die Vibration hörte auf. Schluss. Aus und vorbei. Wieder eine Hoffnung weniger.
    39
    Paul blieben nur noch trostlose Gedankenspiele: Auch Hannah und Blohfeld würden am Ende denken, er wäre Opfer der brandstiftenden Einbrecher geworden. Genau wie jeder andere würden sie annehmen, dass Paul einfach nur Pech gehabt hatte und ein Zufallsopfer geworden war.
    Wieder hatte er das unbändige Bedürfnis zu husten. Aber es ging beim besten Willen nicht.
    Was würde nach seinem Tod passieren? Seine Freunde würden um ihn trauern, dann würden sie ihr gewohntes Leben wieder aufnehmen. So war der Lauf der Dinge. Er gab sich keinen Illusionen mehr hin. Dieser verdammte Hustenreiz! Und die Augen – wie die brannten!
    Paul erschrak: Mit Mordsgetöse stürzte die Küchentür um. Plötzlich wurde es hell. Und heiß, wahnsinnig heiß! Die Flammen kamen immer näher! Sie züngelten dicht über dem Boden, leckten an den Möbeln entlang. Paul war sich sicher, jeden Moment würde sich der Spiritus entzünden!
    Zwei Hände packten ihn an den Schultern. Andere Hände machten sich an seinem Rücken zu schaffen. Was passierte hier?
    Der Rauch benebelte seine Sinne. Hinderte ihn daran, sich zu orientieren. Das Atmen fiel ihm schwer, und er konnte nichts sehen!
    Seine Arme fühlte er noch immer nicht, aber sie waren plötzlich
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