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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Autoren: Jan Beinßen
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andere: Ich buchte diese Fahrt nach Regensburg. Alle Nachbarn wussten davon. Ich bin auch tatsächlich mit dem Bus in die Oberpfalz gefahren und habe mit den anderen Busreisenden im Hotel eingecheckt. Dann habe ich mich in den Zug gesetzt, um zurückzufahren. – Ich habe einen Einbruch in unsere Eigentumswohnung vorgetäuscht und wollte die Wohnung anschließend anzünden. Ganz so, wie es diese Einbrecherbande tut, über die man in letzter Zeit so viel liest.«
    Paul schauderte: Diese verrückte Frau hatte allen Ernstes vor, das Haus in Brand zu setzen, um eine falsche Fährte zu legen? Der ganze Spiritus überall . . . – das konnte sie doch nicht wirklich tun!
    Frau Henlein redete und redete. Geständnis folgte auf Geständnis. Wollte sie dadurch ihr Gewissen erleichtern? Ein wenig tröstlicher Gedanke! Paul hatte Mühe, den kruden Gedankengängen der Witwe noch länger zu folgen:
    »Ja, ein Feuer, und danach ist Schluss!«, sagte sie mit grausamer Begeisterung. »Endgültig Schluss mit all den Erinnerungen an die verhassten Jahre unserer Ehe. All das Zeug von Franz wird bald nur noch Schutt und Asche sein!«
    Sie lachte erleichtert. »Danach werde ich zurückfahren. Heimlich, still und leise. Zum Bahnhof. Eine unter Hunderten. Da fällt man nicht auf. Am Abend dann wieder in Regensburg: gemeinsames Abendessen im Hotel, Verkaufsveranstaltung, vielleicht werde ich sogar eine Heizdecke kaufen; Mitternachtsschoppen an der Hotelbar. Niemandem wird es aufgefallen sein, dass ich zwischendurch fort gewesen bin.«
    Paul zuckte unruhig mit den Augenbrauen. Unablässig rieb er an seinen Fesseln. Zwecklos!
    »Wissen Sie«, redete die Witwe weiter, »unsere Wohnung ist versichert. Eine der wenigen Versicherungen, die mein Mann noch nicht in bare Münze umgewandelt hatte. Die Versicherungssumme gibt mir die Chance für einen Neuanfang. Selbst wenn ich die Lebensversicherung nicht ausgezahlt bekomme, kann ich auf diese Weise aus Nürnberg fortgehen. Ich will ein neues Leben beginnen, ein Leben ohne Hauser und weit weg von dieser Stadt mit all ihren alten Gebäuden und den vielen alten Geschichten!«
    Paul spürte, wie seine Finger allmählich taub wurden. Erneut versuchte er, sich zu artikulieren. Aber von jedem seiner Worte war nur ein dumpfes, verzweifeltes Stöhnen zu hören. Schlimmer noch: Frau Henlein schien ihn gar nicht wirklich wahrzunehmen! Nun verfiel sie wieder in ihre hektischen Bewegungen. Sie trippelte hin und her, vor und zurück. Die ganze Zeit über hielt sie die Spiritusflasche fest in ihrer Hand.
    »Warum sind Sie mir bloß in die Quere gekommen?« Sie stieß die Frage wütend aus, ohne Paul dabei anzusehen. »Ich hatte doch alles so genau vorbereitet. Hatte so verdammt lange an diesem Plan gearbeitet. Jede Kleinigkeit berücksichtigt.«
    Wieder verspritzte sie einen Schwall Spiritus. Den letzten. Mit einem hohlen Geräusch fiel die Flasche auf den Boden. Dann trippelte sie, hektisch den Kopf schüttelnd, aus der Küche.
    Paul blieb voller Angst und Ungewissheit zurück. Ihm war abwechselnd heiß und kalt, wie bei einem plötzlichen Fieber mit Schüttelfrost. Das taube Gefühl kroch von seinen Händen langsam in seine Arme hinauf.
    Das schnelle Klackklackklack der Schritte wurde lauter: Gleich würde sie wieder zurück sein! Paul wollte die wenigen Sekunden, die er allein war, unter allen Umständen nutzen. Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte drehte er seinen Kopf so weit wie möglich nach hinten. Er musste herausfinden, womit die Witwe ihn gefesselt hatte! Vielleicht war es ein Material, das er irgendwie lösen konnte.
    Sein Hals schmerzte fürchterlich bei den Verrenkungen, aber es gelang ihm, einen kurzen Blick auf seine in Hüfthöhe an den Heizkörper verbundenen Hände zu werfen. Was er sah, stürzte ihn in die nächste Krise: eine Wäscheleine! Roter, reißfester Kunststoff und innen ein Draht zur zusätzlichen Stabilisierung. Das Ganze war fünf oder sechs Mal um seine Handgelenke und die Heizung gewickelt. Er hatte nicht die geringste Chance!
    Die Schritte waren verstummt. Frau Henlein stand jetzt wieder vor ihm.
    Pauls Augen weiteten sich, als er sah, was sie in der Hand hatte. Sein Herz pochte wild in seinem Brustkorb. Dicht über seinen Kopf hielt sie eine Flasche Nagellackentferner und drehte den Verschluss ab.
    »Ich habe leider keine andere Wahl«, sagte sie. Fahrig, hektisch. »Die Idee mit dem Feuer war doch das Beste an meinem Plan. Der Brand verwischt alle Spuren. Ich muss das jetzt
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