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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten
Autoren: Péter Nádas
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verlieren, das war klar. So wie sich die beiden Téglás verhielten, war nichts anderes zu erwarten. Wenn er aber nicht hinging, was sollten sie dann mit den fremden Sachen, die doch nur aus einem der Ferienhäuser der Gegend stammen konnten, in denen viele bessere Herrschaften alten Zuschnitts wohnten. Er nahm Tuba seine Eigenmächtigkeit übel. Auch wenn ihm dessen jähe Wut ein gutes Gefühl gab. Als hätte dieser an seiner Stelle etwas getan, das er selbst nie tun würde.
    Nicht einmal seine eigenen Söhne hatte er mit Schlägen diszipliniert, was man ihm früher wiederholt vorgeworfen hatte, so dass er sich für diese seine Unzulänglichkeit richtig geschämt hatte.
    Bizsók war das Leben wiedergeschenkt worden, und so mochte ihm zustoßen, was wollte, Gewalttätigkeit oder Willkür lagen ihm fern. Wenn es Probleme gab, blieb seine Seele ungerührt, nur beobachtete er die Geschehnisse schärfer. Er war ein beleibter Mann, etwas kleiner als mittelgroß. Das Haar trug er kurz geschnitten, Bürstenschnitt hieß das, und dass er in der Zwischenzeit ergraut war, hatte er erst festgestellt, als er nach der Freilassung aus der Gefangenschaft zum ersten Mal in einen Spiegel geblickt hatte.
    Er war zur Erntezeit nach Hause gekommen, an einem Mittag. Vielleicht sah kein Mensch, wie er ankam, das Dorf war stumm, den Schlüssel hatte er nicht an seinem gewohnten Ort gefunden. Einmal am abendlichen Feuer, als ein Wort das andere ergab, erzählte er den anderen, dass er sich vor seinem Haus gar nicht umgeblickt, sondern Wasser aus dem Brunnen geschöpft habe, getrunken, sich das Gesicht gewaschen und sich dann auf der Veranda auf die Bank gesetzt. Er glaube nicht, dass er geschlafen habe, er habe keine Müdigkeit, keinen Hunger verspürt, aber es sei gewesen, als folge dem Mittag gleich die Dämmerung.
    Er habe näher kommende Frauenstimmen auf der Straße gehört, und ein erschrockenes Kind habe ihn angestarrt, auch die Kuh habe ihn angestarrt, auch die sei durchs offene Tor hereingetrottet gekommen.
    Das kleine Kind sei schreiend zurückgelaufen, bei ihnen auf der Küchentreppe sitze ein alter Bettler.
    Es gibt ein Lachen, das nicht aus Fröhlichkeit kommt, so lachten sie darüber.
    Zuerst habe er wissen wollen, warum der Schlüssel nicht an seinem gewohnten Ort war.
    Die anderen wussten, dass er eine schöne Frau hatte, und sie verstanden seinen Hang zu Misstrauen und Eifersucht.
    Dass er immer mit dem Schlimmsten rechnete, auch wenn er das sonst nicht durchblicken ließ. Die Frau aber habe sich hochgereckt und den Schlüssel aus dem Spalt zwischen Türrahmen und Wand herausgeholt, der war nämlich dort, wo er ihn nicht gefunden hatte, da habe er nur staunen können. Die Frau habe die Tür aufgemacht, sie seien hineingegangen, sie habe sich gleich vors Feuer gekauert, wie sie das immer getan habe.
    Von dort habe sie auf ihn zurückgeblickt.
    Mehr erzählte er nicht.
    Er hatte gezögert, als trete er an einem fremden Ort ein. Zwei volle Jahre lang hatte er die, zu der er jetzt zurückkehrte, nicht einmal im Traum gesehen.
    Am Morgen habe sie Fettgaluschka gemacht, als hätte sie gewusst, womit sie ihn erwarten musste.
    Das erzählte er den Zigeunern noch, doch dann sagte er nicht mehr, wie sie sich endlich umarmt hatten. Im Schein der Feuers sahen die anderen aber schon, was er schamvoll verschwieg.
    Mit abwesendem Blick sah er jene Nacht durchs Feuer hindurch.
    Wenn er am nächsten Tag mit der Sense drei Schwünge gemacht habe, sage er viel, denn es sei ihm so schwindlig geworden, dass er sich habe hinlegen müssen.
    Wiederum erzählte er nicht, wie die Frau Wasser auf ihr Tuch gespritzt hatte, um ihm das Herz und die Stirn zu reiben. Sogar noch im Schatten liegend sei er schweißgebadet gewesen.
    Na ja, er habe halt siebenundvierzig Kilo gewogen, sie hätten ihn gewogen, sagte er, um die Sache doch zu erklären. Mit so wenig Gewicht geht es natürlich nicht.
    Im Traum schlugen ihm manchmal die wütenden Wellen des Meers ans Gesicht.
    Er sah das Meer goldig schimmernd vor sich, wie wenn unter dem endlosen Himmel trockene Winde mutwillig über die reifen Weizenfelder fahren und mit ihren Wirbeln die Ähren umlegen, ineinanderdrehen.
    Bei anderen Malen war der Himmel dunkel, der in die Wellen gesiebte Sand funkelte gedämpft. Schaum knirschte ihm zwischen den Zähnen. So kam in seinen Träumen der Nachmittag zurück, als er vor Husum zum ersten Mal das Meer gesehen hatte.
    Vor Husum, zwischen nackten Sanddünen, hatten sie
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