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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy
Autoren: Pete Dexter
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Menschen verschieden, und Ward und Yardley Acheman waren so verschieden, wie man es sich nur denken kann.
    Bevor die Redakteure der
Miami Times
entschieden, Yardley Acheman mit meinem Bruder – ein Team, das eher dem Zufall und den Gegebenheiten als dem Wissen um gegenseitige Anziehung zu verdanken war, wie die
Times
später zugab – über einen Flugzeugabsturz in den Everglades berichten zu lassen, war Yardley Acheman in meinen Augen nur einer dieser faulen Reporter aus dem Lokalteil, deren Name selten über einem Artikel in der Zeitung stand, weil die Redakteure des Lokalteils keine Lust hatten, sich auf den langen Prozess einzulassen, der nötig war, um Yardley Acheman zum Schreiben eines Textes zu bewegen, an dem er keinen persönlichen Anteil nahm.
    Wenn Yardley Acheman allerdings ein Thema fand, das ihn interessierte, dann hielt man ihn für so etwas wie ein literarisches Genie. Darin waren sich die Redakteure einig, denn die meisten von ihnen hatten selbst literarische Ambitionen. Sie erkannten einen guten Stil, wenn sie ihn vor sich sahen. Das war ihr Job.
    Zwischen diesen Ereignissen von persönlichem Interesse aber hockte Yardley Acheman an seinem Tisch im hintersten Winkel der Lokalredaktion, unterhielt sich am Telefon mit einer endlosen Zahl von Frauen und Buchmachern und versuchte, den neuen einzureden, dass sie ihm eine Chance geben, und den alten, dass sie ihn in Ruhe lassen sollten.
    Auf eine verzogene Art und Weise war er attraktiv, ein hübscher Junge, und das schien ihm Zugang zu allem zu geben, was er haben wollte. Oft fiel es ihm nicht leicht, seine ganzen gesellschaftlichen Verpflichtungen im Terminkalender unterzubringen. Die Redakteure wussten, was Yardley Acheman am Telefon trieb, aber es gibt keine Zeitung, die nicht eine Art Ballast mit sich herumschleppt – Reporter, die eigentlich keine Reporter sein wollen, Redakteure, denen ihre Titel wichtiger sind als ihre Arbeit. Und wie es der Zufall wollte, bereitete Yardley Acheman keine besonderen Schwierigkeiten. Journalisten gegenüber, denen seine literarische Eleganz abging, fand er sich überlegen, weshalb er nicht zu jener Art Ballast zählte, aus der Gewerkschaftsagitatoren hervorgehen.
    Ein Gewerkschaftler war eine ganz andere Last, und Menschen, die eine Zeitung führen, neigen dazu, sich von einer solchen Last zu befreien.
    Etwas aber geschah mit Yardley Acheman an jenem Abend, an dem ihm und Ward – offensichtlich ohne Vorbedacht und Zeremonie, sondern einfach nur, weil sie die beiden einzigen unbeschäftigten Journalisten im Raum waren – aufgetragen wurde, zum Wrack der Maschine mit der Flugnummer 119 zu fahren, die von der Startbahn des internationalen Flughafens in Miami abgehoben hatte, zwei Minuten und vierzig Sekunden in der Luft geblieben war und dann in den Everglades abstürzte, wobei alle Insassen ums Leben kamen.
    Yardley Acheman fand im Blutbad jener Nacht, als eine Metallröhre mit einhundertvierzig Menschen im weichen Sumpf aufschlug, seine Berufung, in der Ungeheuerlichkeit des Entsetzlichen. Er wurde rot vor Aufregung, wenn er davon erzählte, wenn er die Einzelheiten durchging, in aufsteigender Reihenfolge ihrer Bedeutung.
    Es war wie Fahrradfahren, er beherrschte es in null Komma nichts.
    Dabei hatte Yardley Acheman die Einzelheiten natürlich nicht allein zusammengetragen. Die entsetzlichsten Details kamen von meinem Bruder, der durch den Schlamm watete und das Flugzeugwrack betrat, während Yardley draußen blieb, wo sich, so schrecklich der Unfall auch war, der Blick abwenden ließ und es, wie er später sagte, Gelegenheit gab, sich einen Überblick zu verschaffen.
    Ward dagegen durchquerte das Flugzeug der Länge nach, von jener Stelle im hinteren Bereich, an der das Heck abgebrochen war, bis zur Pilotenkanzel. Er wischte sich die Mücken aus dem Gesicht, zählte die noch im Flugzeug liegenden Toten, achtete auf ihre Körperhaltung und zog daraus Schlüsse über die Aufprallgeschwindigkeit.
    Durch einen Zufall war in jener Nacht die gesamte Rettungsmannschaft von Dade County eine Stunde zuvor zu einem kleineren Unfall geschickt worden, einem abgestürzten Privatflugzeug, sodass Ward und Yardley Acheman die Katastrophe länger als dreißig Minuten für sich allein hatten.
    Die Maschine sackte ein wenig ab und ächzte, als Ward sich nach vorne durchkämpfte. Ansonsten gab nur der Sumpf Geräusche von sich. Einen Tag später konnten die Abonnenten der
Miami Times
diese Geräusche hören, und sie sahen im
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