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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten
Autoren: Joy Fielding
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glauben. Aber warum sollten Sie? Ich habe mich schließlich nicht unbedingt als besonders vertrauenswürdig erwiesen.
    Wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann, ist es kein Spaß angeschossen zu werden, selbst wenn man überlebt. Tatsache ist, es tut höllisch weh. Jene Nacht in dem Keller des Kimble-Hauses liegt nun schon zehn Monate zurück, und ich leide immer noch unter Kopfschmerzen und Sehstörungen. Ich habe zwei Operationen hinter mir. Für die erste musste man mir den Kopf kahl rasieren, und mein Haar wächst gerade erst wieder nach, und zwar lockiger als vorher, was nervt. Auch wenn es in Modezeitschriften immer heißt, Locken wären »in«, sind es in Wahrheit doch immer die Mädchen mit
den langen glatten Haaren – manchmal mit Mittel-, manchmal mit Seitenscheitel -, die auf den Titelseiten genau derselben Modezeitschriften landen. Glattes Haar ist kultiviert. Es strahlt eine Aura von Ruhe und Ordnung aus. Locken lassen auf einen eher wirren Menschen schließen, so als stünden diese Leute dauerhaft unter Starkstrom. Außerdem sind sie schwerer zu bändigen, egal welches »Pflegemittel« man anwendet.
    Neben den Kopfschmerzen und den Sehstörungen leide ich auch unter gelegentlichen – manche würden vielleicht auch sagen praktischen – Gedächtnislücken, weshalb ich es besonders prima finde, dass man mir mein Totenbuch zurückgegeben hat. Es hilft mir, mich an Dinge zu erinnern, es liefert mir einen Kontext und ermöglicht es mir so, meine Gedanken zu ordnen und meine Frustration herauszulassen. Dr. Mandy Biehn, 40, groß und schlank mit schulterlangen, links gescheitelten glatten schwarzen Haaren, ist hier in der Psychiatrischen Klinik von Maple Downs meine behandelnde Psychologin – ich habe dem Staat großzügig Kosten sowie meinen Opfern und ihren Familien die Qual eines langwierigen Prozesses erspart, indem ich mich in allen Anklagepunkten schuldig bekannt und der Verbüßung meiner Strafe in dieser Einrichtung zugestimmt habe – und sie findet, dass die Totenbücher eine großartige Idee sind. Ich habe ihr erzählt, dass sie ursprünglich von Sandy Crosbie stammte und ich mich anfangs dagegen gewehrt hätte, aber sie hätte darauf bestanden, dass jeder Schüler ihres Englischunterrichts ein Tagebuch führt. Sie hat mich allerdings nie aufgerufen, meins vor der Klasse vorzulesen. Ich frage mich, was geschehen wäre, wenn sie es getan hätte.
    Kerri wollte natürlich nicht, dass ich mich schuldig bekenne. Sie sagte, man könnte schlagkräftige Argumente für eine chemische Unausgewogenheit vorbringen oder für Fehler in meinem genetischen Code, die natürlich auf meinen Vater zurückgehen. Sie behauptet, eine schwierige Kindheit und die feindselige Umgebung an der Torrance High hätten die
Situation noch verschärft, und gibt meinen Mitschülern die Schuld dafür, mich letztendlich in den Wahnsinn getrieben zu haben. Meiner Meinung nach sind solche Spekulationen sinnlos und kontraproduktiv, so als wollte man das uralte Rätsel von der Henne und dem Ei lösen. Spielt es eine Rolle, was zuerst da war?
    Nein. Letztendlich kommt es nur darauf an, wer am Ende zurückbleibt.
    Kerri wollte, dass ich auf Unzurechnungsfähigkeit plädiere. Aber darauf hätte ich mich nie eingelassen. Wie sollte ich? Ich wusste, was ich tat, und ich wusste, dass es verkehrt war – und damit erfüllte ich die juristische Definition von Zurechnungsfähigkeit, wie mir mein Anwalt Mitchell Young, Sr. – KUNDENFREUNDLICH, KLAGEWILLIG, KOMPROMISSBEREIT – erklärt hat. Aber das hat Kerri nicht weiter beeindruckt, die offenbar besser mit der Vorstellung klarkommt, dass ihre einzige Tochter verrückt ist, als damit, eine kaltblütige Mörderin GEBOREN zu haben.
    Nun denn. Man kann es nicht allen recht machen.
    Außerdem sehe ich mich nicht so. Mein Blut ist genauso warm wie das aller anderen Mädchen.
    Die gute Nachricht ist, dass ich abgenommen habe.
    Fast zehn Kilo, obwohl das Essen, das man hier bekommt, vor allem aus Kohlehydraten besteht. Aber ich habe nicht mehr so viel Appetit wie früher. Vielleicht hat die Kugel diesen Teil meines Gehirns mitgenommen. Oder es liegt an den ganzen Medikamenten, die sie einem hier geben. Warum auch immer, ich habe jedenfalls nicht mehr so viel Hunger wie früher, mit der Konsequenz – Konsequenz ist hier ein ganz wichtiges Konzept -, dass ich weniger und seltener esse. In der Psychiatrischen Klinik Maple Downs werden keine Snacks serviert, es sei denn, man rechnet Rosinen und Obst
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