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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten
Autoren: Joy Fielding
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dazu, was ich dezidiert nicht tue. Ich meine, als Snack sollten sie Chips und Lakritzstangen servieren. Zucker und Salz. So was. Das ist zumindest meine Meinung.

    Einen Fitnessraum gibt es hier auch nicht, was schade ist. Vor allem für jemanden wie mich, der so viel Bewegung gewöhnt ist. Bei all den Gewaltmärschen, zu denen meine Großmutter mich gezwungen hat. Vom Herumschleppen der diversen Leichen ganz zu schweigen. Das baut die Muskeln auf. Die Mädchen haben jeweils wahrscheinlich nicht mehr als fünfzig Kilo gewogen, aber das ist immer noch eine Menge, wenn man bedenkt, dass das alles Totlast war... buchstäblich.
    Also habe ich mir mein eigenes Fitnessprogramm zusammengestellt. Es besteht hauptsächlich aus Dehnübungen, ein paar Liegestützen, vielleicht ein Dutzend Kniebeugen und ein paar Sit-ups. Täglich peinlich genau eine halbe Stunde lang ziehe ich diese Übungen durch. Das tue ich in meinem Zimmer, obwohl dort nicht viel Platz ist. Es ist winzig, etwa halb so groß wie die Kellerräume in dem alten Kimble-Haus. Groß genug für ein Bett und eine weiße Plastikkommode. Ohne scharfe Kanten, versteht sich. Nichts, womit ich mir etwas antun könnte.
    Dabei habe ich gar nicht die Absicht, mir etwas anzutun. Nicht jetzt, wo mir das, was ich im Spiegel sehe, tatsächlich anfängt zu gefallen. Bis auf die bereits erwähnten Locken, die sich hoffentlich wieder glätten, je länger mein Haar wird. Ich sehe dieser Tage verdammt gut aus, wenn ich das selber sagen darf. Wer weiß, vielleicht wird man die Schlagzeile, mit der das People -Magazin von meiner Verhaftung berichtete, eines Tages auch auf mich beziehen: zum Sterben schön.
    Genau genommen haben die Reporter das aus meinen Tagebüchern geklaut. Jemand aus dem Büro des Sheriffs hat ein paar der saftigeren Passagen durchsickern lassen, und sie wurden abgedruckt. Ich hatte nichts dagegen, obwohl die Artikel meiner Meinung nach ein wenig einseitig waren. Ich fand, dass sie zu viel Platz mit Bildern von Liana Martin und Megan Crosbie verschwendet haben. Letztere wurde sogar als »talentierte angehende Schauspielerin und Sängerin« bezeichnet.
Kaum zu glauben. Ich konnte es jedenfalls nicht fassen. In Wirklichkeit singt sie grottenfalsch und hat einen Stimmumfang von... – na ja, wie hat einmal irgendjemand über Katherine Hepburn gesagt? Sie führte die ganze Bandbreite ihrer Ausdrucksfähigkeit vor, von A bis B ?
    Und noch etwas ist wahr: Eigentlich gefällt es mir hier ganz gut. Es ist sauber und angenehm. Aus meinem Zimmer habe ich eine schöne Aussicht, und es ist ruhig. Einige der weniger stabilen Gäste haben eine bedauerliche Neigung zum Kreischen und Ausagieren negativer Gefühle. Aber im Allgemeinen sind die Gäste – dieser Ausdruck gefällt mir weit besser als die Bezeichnung Insassen – wirklich recht nett, was man von der Bevölkerung von Torrance im Allgemeinen nicht behaupten kann. Und die Ärzte sind freundlich und aufmunternd. Niemand sitzt mir mit Forderungen im Nacken. Alle wollen mir bloß helfen, wieder gesund zu werden. Sie wollen wirklich hören, was ich zu sagen habe. Und das Beste ist, dass sie auch tatsächlich zuhören.
    Sie nehmen mich wirklich sehr ernst hier in der Psychiatrischen Klinik Maple Downs.
    Ich mag das.
    Deshalb versuche ich, meinerseits zuvorkommend zu sein und erfülle praktisch jede ihrer Bitten. Ich habe ihnen erzählt, wo sie Candy Abbots Leiche finden können, und ich rede mit jedem Gesprächspartner, den man mir vorschlägt. Ich erkläre, so gut ich kann, was mich zu diesen abscheulichen Taten getrieben hat. Ich erzähle von meiner dysfunktionalen Ursprungsfamilie: meinem brutalen Vater, der mich verlassen hat, als ich noch ein Kleinkind war, den nachfolgenden unglücklichen Ehen meiner Mutter mit ähnlich gewalttätigen Männern, ihre kosmetischen Operationen, durch die sie sich praktisch in eine Fremde verwandelte, ihre diversen Affären mit verheirateten Männern, einschließlich John Weber und Ian Crosbie, die permanenten Verbalinjurien, die ich durch meine liebe verstorbene Tante und meine Großmutter erleiden
musste – die sprichwörtlich giftig gackernden Gänse. (Pardon, ich konnte der Alliteration nicht widerstehen. Mrs. Crosbie wäre stolz auf mich.) Ich erzähle ihnen von den alltäglichen Demütigungen, die ich in der Schule über mich ergehen lassen musste, von dem Spott und den Anzüglichkeiten von Schülern und Lehrern gleichermaßen. Schließlich wusste jeder, was los war, und niemand hat
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