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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten
Autoren: Joy Fielding
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wird nicht mal ihre Tabletten überprüfen, und selbst wenn, habe ich die richtigen schon wieder in die Packung getan. Gott, du hättest ihr Gesicht sehen müssen, als ich die Plastiktüte über ihren Kopf gezogen habe. Sie sah so überrascht aus. Mir hat es unendlich gutgetan, das kann ich dir sagen. Guck nicht so schockiert. Sie war eine Hexe, und das weißt du auch. Glaub mir, kein Mensch wird ihr eine Träne nachweinen. Aber für dich werden wahrscheinlich schon ein paar vergossen werden. Ich frage mich, ob wieder eine Totenwache gehalten wird.«
    »Bitte...«
    »Bitte was?«
    »Tu das nicht.«
    »Tut mir leid. Aber ich bin gewissermaßen gezwungen, nachdem ich dir jetzt alle meine schmutzigen kleinen Geheimnisse anvertraut habe. Hast du geglaubt, wir wären wirklich Freundinnen.«
    »Wir sind Freundinnen.«
    »Ha! Klar. Bis du hier rauskommst und zu Ginger und Taya rennst. Die übrigens die beiden Nächsten auf meiner Liste sind. Obwohl ich damit vielleicht ein wenig warten muss. Ich will die Leute ja nicht zu sehr erschrecken.«
    »Du weißt, dass du damit nie durchkommen wirst.«
    »Warum sagen das immer alle? Mit Mord kommt man ständig ungeschoren davon. Lies nur die Statistiken. Und sieh mich an. Ich bin der lebende Beweis, wie man so sagt.«
    »Bitte«, flehte Megan. »Ich will nicht sterben.«
    »Nicht? Nein, wohl nicht. Ich meine, wie oft verpassen die Leute dir gemeine Spitznamen und stellen obszöne Lieder über dich ins Internet? Wie oft ziehen sie über dein Gewicht her und machen sich in der Schule über dich lustig? Wie oft bist du schon bei den guten Rollen für die Schulaufführung übergangen worden, weil es Mädchen gab, die hübscher und
schlanker waren als du, auch wenn sie ums Verrecken nicht singen konnten? Lebender Beweis, ums Verrecken , passende Metaphorik, was?«, fuhr Delilah fort, als würde sich ein Satz natürlich aus dem anderen ergeben. »Interessant. Deine Mutter wäre so stolz auf mich. Ich frage mich, woher diese Ausdrücke kommen. Machst du dir je Gedanken über diese Dinge?«
    »Manchmal.«
    »Wirklich? Meinst du das ernst oder sagst du das nur, um mich bei Laune zu halten? Willst du dich bei mir einschmeicheln, damit es mir schwerer fällt abzudrücken? Das wird übrigens nicht passieren. In gewisser Weise genieße ich es abzudrücken, obwohl nicht annähernd so sehr, wie ich unseren kleinen Plausch genossen habe.«
    Megan schüttelte den Kopf. Welchen Sinn hatte es, noch irgendetwas zu sagen?
    »Und jetzt lass Greg da liegen, und setz’ dich hierhin wie ein braves kleines Mädchen.« Delilah wies mit der Waffe zur Wand.
    Und dann hörten sie, wie über ihnen eine Tür aufgebrochen wurde, laut durcheinanderbrüllende Stimmen und polternde Schritte auf der Treppe. »Greg? Bist du hier?«, rief der Sheriff. »Greg? Megan?«
    »Megan?«, schrie ihre Mutter.
    »Mommy!«, kreischte Megan. »Sheriff! Hier drinnen!«
    Und dann stand der Sheriff plötzlich in der Tür, sein massiger Körper füllte den ganzen Rahmen. Megan dachte, dass sie in ihrem Leben noch nie einen schöneren Mann gesehen hatte, als er die Waffe in seiner rechten Hand hob und direkt auf Delilah richtete. »Lass die Pistole fallen, Delilah«, befahl er und entsicherte seine Waffe.
    »Oh mein Gott«, hörte Megan ihre Mutter hinter sich wimmern.
    »Du sollst die Waffe fallen lassen«, wiederholte der Sheriff und kam vorsichtig näher.

    Megan beobachtete, wie Delilahs Blick zwischen ihr und dem Sheriff hin und her zuckte. Sie sah, wie die Verwirrung und Unsicherheit in diesem Blick rasch neuer Entschlossenheit wich. Und sie sah, wie Delilah die Pistole blitzschnell gegen sich selbst richtete und abdrückte.

35
    TOTENBUCH
    O kay, ich bin also offensichtlich nicht gestorben.
    Wie sich herausstellte, war ich doch kein so guter Schütze. Nun, wie sollte ich auch bei allem, was da los war? Megans Mutter kreischte, und der Sheriff kam auf mich zu. Oder vielleicht habe ich mich am Ende auch nicht getraut. Schwer zu sagen. Jedenfalls streifte die Kugel meine Schläfe, und auch wenn ich ungefähr einen Eimer voll Blut verloren habe – blutende Kopfwunden sind die schlimmsten -, habe ich doch zu keinem Zeitpunkt das Bewusstsein verloren, sosehr ich es mir auch gewünscht hätte. Und sei es nur, damit mir die nachfolgende, geschmacklos gefühlsduselige Wiedervereinigung von Mutter und Tochter erspart geblieben wäre – »Mein kleines Baby! Mein süßer Engel!« Bitte. Megan war wohl kaum ein Engel, das können Sie mir
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