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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten
Autoren: Joy Fielding
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etwas getan, es zu unterbinden.
    In gewisser Weise war Mrs. Crosbie die Schlimmste, weil sie so eine Heuchlerin war. Oh, sie hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen – sie hat mich sogar bis zu Mr. Lipsmans Haus gefahren an dem Nachmittag, als wir Fionas Leiche am Straßenrand entdeckt haben. (Das war übrigens keineswegs ein Zufall. Ich habe sie direkt zu der Stelle geführt, an der ich die arme tote Fiona deponiert hatte. Ich wusste, dass das riskant und beinahe tollkühn war. Ursprünglich wollte ich die Leiche einfach irgendwo liegen lassen und warten, bis jemand – irgendjemand – darüber stolpert. Aber die Gelegenheit war einfach zu günstig, um sie ungenutzt zu lassen.) Wie dem auch sei, Mrs. Crosbie hat versucht, ihre wahren Gefühle zu verbergen, aber wenn sie mich im Unterricht aufrufen musste, war der Widerwillen in ihrem Gesicht jedes Mal unübersehbar, und sie ist immer buchstäblich zurückgeschreckt, wenn ich ihr nahe gekommen bin.
    Das war nicht ausschließlich ihre Schuld. Genauso wenig wie meine. Ich glaube nicht, dass Mrs. Crosbie so reagiert hat, weil sie mich per se körperlich abstoßend fand, obwohl das durchaus möglich ist. Wir haben alle schon einmal erlebt, wie die Attraktiven beiläufig und beinahe instinktiv vor jenen zurückweichen, die sie für weniger privilegiert halten. Nein, ich glaube, ihre negative Haltung mir gegenüber hatte mehr damit zu tun, dass ich Kerri Franklins Tochter und meine Mutter verantwortlich für das Ende ihrer Ehe war, und jedes Mal, wenn sie mich ansah, wurde sie daran und an ihr Scheitern als Ehefrau erinnert. Und auch wenn es keine Absicht war, ist sie
für die schlimmste Demütigung verantwortlich, die ich in den letzten Jahren erleiden musste. »Dee«, nannte sie mich eines Tages in ihrer Stunde und raubte mir damit auch noch meinen Namen. Und aus Dee wurde natürlich Deli und noch schlimmer Big D ., zusammen mit dem obszönen Song, der dazu überall ins Internet gestellt wurde.
    Aber warum habe ich dann ihre Tochter als Opfer ausgewählt, werde ich immer wieder gefragt. Hatte sie sich nicht mehr als einmal für mich stark gemacht und versucht, mir zu helfen, auch wenn sie sich damit keine Freunde machte? Die Frage hat mich beschäftigt. Habe ich Megan ausgewählt, weil sie von Natur aus zum Sterben schön war – mit ihrem frischen, hübschen Gesicht, den spitzen Brüsten und der winzigen Taille, der ungezwungenen Anmut und ihrer selbstverständlichen Präsenz im Rampenlicht? Oder habe ich sie erkoren, weil sie die Tochter (Enkelin und Nichte) war, die meine Mutter (meine Großmutter und meine Tante) sich immer heimlich gewünscht hatten? Es wäre ihnen jedenfalls bestimmt nicht peinlich gewesen, sie ihren Freundinnen vorzustellen oder ein Foto von ihr herumzeigen. Sie war schließlich perfekt. All das, was ich nicht war. Und wenn Ian Crosbie meine Mutter geheiratet hätte – was zu der Zeit sehr wahrscheinlich schien -, hätte meine Mutter nicht nur einen neuen Ehemann bekommen, sondern ich auch eine neue Stiefschwester. Wir wären miteinander verwandt gewesen. Die Vergleiche hätten kein Ende genommen, jede meiner Unzulänglichkeiten wäre nur noch stärker betont und kommentiert worden. Kerri wäre zunehmend distanzierter geworden, während sie sich im Glanz ihrer neuen gesellschaftlich akzeptableren Tochter gesonnt hätte. Ging es nicht in ihrem ganzen Leben immer darum, Altes durch Neues zu ersetzen? Ich hätte verloren, was noch übrig war von der Mutter, die ich mein Leben lang geliebt – und enttäuscht – hatte. Und der Gedanke, für den Rest meiner Tage hinter dieser talentlosen Göre die zweite Geige zu spielen, war einfach mehr, als ich ertragen konnte.

    Ich muss allerdings zugeben, dass ich Kerris Reaktion auf den Tod ihrer Mutter unterschätzt habe. Ich hatte mir oft vorgestellt, die Nachricht von Roses Ableben in einer Art kombinierter Geburts- und Todesanzeige ins Internet zu stellen. Kerri und Delilah Franklin sind entzückt, den Tod ihrer Mutter und Großmutter bekannt zu geben . Aber das sollte nicht sein. Selbst als Kerri noch glaubte, ihre Mutter wäre an einem gewöhnlichen Herzinfarkt gestorben, war sie erstaunlich bekümmert. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass sie nun mit der unausgesprochenen Wahrheit zurechtkommen musste, dass nicht einmal tausend kosmetische Operationen den so genannten grausamen Schnitter aufhalten konnten. Vielleicht hat sie die griesgrämige alte Schachtel auch tatsächlich geliebt. Was
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