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Jagdfieber

Jagdfieber

Titel: Jagdfieber
Autoren: Vivian Hall
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Kapitel 1
     
    Victor Seymour schob die Hand in die Westentasche seines Jacketts und entnahm die Keycard des Hotels, um in die Suite zu gelangen. Sein Blick streifte dabei das Ziffernblatt seiner Armbanduhr. Er war zu spät, und Charlotte würde zweifellos einen ihrer giftigen Verbalpfeile auf ihn abschießen, um ihn daran zu erinnern, dass man eine Frau wie sie nicht warten ließ. Auch wenn er nicht vorhatte, sich in irgendeiner Weise vor ihr zu rechtfertigen, gab es durchaus einen triftigen Grund für seine Unpünktlichkeit. Er hatte endlich die Vermietung des Westflügels unter Dach und Fach gebracht. Schon in wenigen Tagen würde der amerikanische Geschäftsmann Ross Turner einziehen, und die letzten Einzelheiten hatten sie eben noch telefonisch besprochen.
    Victor lächelte trocken. Manche seiner illustren Freunde rümpften die Nasen darüber, dass er schon seit Jahren einen Teil seines Elternhauses vermietete. Er sah jedoch keinen Sinn darin, die Räume leer stehen zu lassen, seit sein jüngerer Bruder Ryan seinen Hauptwohnsitz direkt nach London verlegt hatte. Er kreuzte seither nur noch sporadisch auf Seymour Manor auf, oft nur, um eine neue Ausstellung vorzubereiten, die dann im historisch angehauchten Ambiente des Anwesens stattfand. Bei diesen Gelegenheiten übernachtete er in einem der Gästezimmer. Abgesehen davon, dass es schade gewesen wäre, so wunderbar restaurierte Räume unbewohnt zu lassen, summierten sich die Kosten für die Instandhaltung fortlaufend, sodass er es nur recht und billig fand, den eigenen finanziellen Aufwand so niedrig wie möglich zu halten. Den einzigen Wermutstropfen dieses Arrangements stellte Turners Tochter Paige dar. Bedingt durch den baldigen Einzug ihres Vaters, würde er wohl nicht drum herumkommen, diese unmögliche Person öfter als Gast ertragen zu müssen. Seine Begeisterung darüber hielt sich in Grenzen. Dieses laszive kleine Luder war nichts weiter als ein lebendiges, atmendes Ärgernis. Ein verzogenes Millionärstöchterchen, das nicht nur schlechte Manieren hatte, sondern auch jedes männliche Wesen als potenzielle Beute ansah. Damit gehörte sie definitiv zu der Sorte Frau, mit der er sich nicht dauerhaft umgeben wollte, auch wenn er zugeben musste, dass er diese schwarzhaarige Sirene mit den dunkelblauen Augen ungemein attraktiv fand.
    Etwas anderes zu behaupten, wäre einer glatten Lüge gleichgekommen. Paige verfügte über diese ganz spezielle Ausstrahlung, die einen an schwüle Sommernächte, üppig duftende Magnolienblüten und schweißnasse, von Sex ermattete Körper denken ließ. Doch gerade diese unverblümt sexuelle Ausstrahlung war es, die ihn abstieß. Er wollte keinen näheren Kontakt mit einer Frau, die sich hemmungslos an jeden Kerl heranschmiss, der ihr vor die Füße fiel, auch wenn man ihm für diese Einstellung ohne weiteres Doppelmoral vorwerfen konnte. Immerhin vögelte sich sein bester Freund, Quinn St. Clair, seit Jahren durch etliche Londoner Schlafzimmer, ohne dass es ihn störte. Quinn hatte einen geradezu legendären Ruf als Liebhaber. Apropos Liebhaber …
    Dieser kurze Gedankenblitz schleuderte ihn wieder an den Ort des Geschehens zurück und damit in den Hotelflur des Berkeley Hotels. Für einen kurzen Augenblick lehnte er seine Stirn gegen die Tür und atmete tief ein. Obwohl er freiwillig hier war, fühlte er sich gespalten. Wie ein Zwitterwesen, das nicht wusste, was es wollte oder wohin es gehörte, denn obwohl er nur zu gern seine Lust bei Charlotte stillte, verachtete er sich für die hemmungslosen Spiele, mit denen sie ihn schon seit Jahren an ihrer Seite hielt. Seit er als junger Mann auf schmerzhafte Weise erfahren hatte, wie dehnbar Begriffe wie Liebe und Treue in den Augen mancher Menschen waren, wollte er sich keinesfalls auf das klassische Beziehungsmodell einlassen. Bei Charlotte musste er sich darüber keine Gedanken machen. Zum einen, weil sie ohnehin verheiratet war und eine Scheidung für sie nicht infrage kam, zum anderen, weil er sich über sie keine Illusionen machte. Zu vertraut war er mit ihrer komplexen Persönlichkeit. Er wusste genau, was er von ihr zu erwarten hatte und lief nicht Gefahr, enttäuscht zu werden.
    Ihre Anziehungskraft übte eine Form destruktiver Faszination auf ihn aus, der er sich nicht entziehen konnte. Außerhalb der Juniorsuite hatten sie jedoch keinen Kontakt, der über belangloses Geplänkel auf diversen gesellschaftlichen Anlässen hinausging. Sie verhielten sich äußerst diskret,
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