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Jagdfieber

Jagdfieber

Titel: Jagdfieber
Autoren: Vivian Hall
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sich aufrichtete und umdrehte. Wie immer scannte er die Umgebung und nahm jede Einzelheit wahr. Ihre Kleidung, ein dunkler Hosenanzug, seidene Unterwäsche und hauchfeine halterlose Strümpfe, war kunstvoll auf dem kleinen Sessel in der Leseecke drapiert. Der BH hing von der Leselampe herunter, die sich auf dem kleinen runden Tischchen neben dem Sessel befand. Ihre schwarzen Pumps standen dicht beieinander vor dem Sessel und wirkten seltsam verloren.
    Victors Blick wanderte weiter, auf das Bett zu. Auf dem Nachtschränkchen stand schon ein Tablett bereit. Darauf befanden sich zwei langstielige Gläser, daneben der randvoll gefüllte Eiskübel mit dem Champagner. Durch den Temperaturunterschied zwischen Raum und Behälter bildete sich ein leichter Film auf der Oberfläche der Flasche und überzog das Grün mit perlender Feuchtigkeit. Dieser Anblick erinnerte ihn daran, dass bereits Stunden vergangen waren, seit er etwas getrunken hatte. Seine Kehle brannte vor Durst.
    „Schenkst du uns schon mal ein?“, sagte er.
    Es war eine Frage, hinter der sich ein unmissverständlicher Befehl verbarg. Geflissentlich ignorierte er ihren stechenden Blick, denn noch mehr als Unpünktlichkeit hasste sie es, herumkommandiert zu werden. Obendrein lechzte sie bestimmt danach, den Grund für seine verzögerte Ankunft zu erfahren, doch er sah keinen Sinn darin, eine ewige Grundsatzdiskussion über etwas zu führen, was er ohnehin nicht mehr ändern konnte. Reine Zeitverschwendung.
    „Willst du mir nicht sagen, warum du erst jetzt kommst? Ich warte bereits eine Ewigkeit auf dich. Verabredet war 15.00 Uhr, nicht 16.00 Uhr.“
    Ihre Stimme klirrte vor Kälte. Oh ja, sie war stinksauer, was ihm keineswegs leidtat. Sie in Wut zu versetzen, verschaffte ihm einen ganz besonderen Kick, und er hatte über die Jahre hinweg gelernt, welche Schalter er umlegen musste, um diesen Punkt zu erreichen. Reue verspürte er nicht, denn dort, wo bei den meisten Menschen ein empfindsames und pochendes Herz schlug, klaffte bei Charlotte ein stockfinsteres Loch. Seelenlos wie die unnatürlich hellen Augen, die sie gerade zu engen Schlitzen verengte.
    „Charlotte, was bist du doch wissbegierig“, spottete er milde und ließ sich von ihrer wütenden Miene nicht aus der Ruhe bringen. „Die Neugier ist die Tochter der Eifersucht, meine Liebe. Hast du etwa Angst, ich könnte mein Interesse auf eine andere Frau verlagern?“
    Sie grinste tückisch und fuhr sich verspielt mit einem Finger seitlich über den Hals. Eine sinnliche und gleichzeitig berechnende Geste, die das kalte Glimmen in ihren Augen noch stärker hervortreten ließ.
    „Victor, keine außer mir kann dir geben, was du brauchst“, wisperte sie. „Du wirst nie von mir loskommen.“
    „Sei dir deiner mal nicht zu sicher, Charlotte. Du wirst schließlich nicht jünger, und deine Schönheit schwindet. Wie alt wirst du nächsten Monat noch mal?“, wollte er scheinheilig wissen und fügte gespielt harmlos hinzu: „Neunundvierzig oder ist es doch schon der Fünfzigste, der dir bevorsteht?“
    Ihr katzenartiges Grinsen erlosch augenblicklich, ihre kaltglitzernden Augen feuerten wütende Blitze ab, weil es ihm so offensichtliches Vergnügen bereitete, sie zu quälen. Ohne es zu wollen, passte er sich ihrer Bösartigkeit an, sobald sie aufeinandertrafen. Ein dunkles Kräftemessen, bei dem er immer öfter als Sieger hervorging, und gleichzeitig ein trauriger Triumph, der ihm keine Befriedigung und schon gar keine Freude schenkte. Er kämpfte nur, um nicht von ihrer Gier überrollt zu werden.
    „Victor, weißt du, was ich mir wünsche?“
    Er hob ein wenig die Augenbrauen, während er sich an den widerspenstigen Manschettenknöpfen seines maßgeschneiderten Hemdes zu schaffen machte.
    „Keine Ahnung, aber ich bin sicher, du wirst es mir gleich sagen.“
    Ihr Lächeln fiel recht süßlich aus, was ihren frostigen Zügen einen etwas weicheren Ausdruck verlieh. Dieser Moment war allerdings so flüchtig wie das Guthaben ihrer Kreditkarte, sobald sie sich zu einer ihrer Shoppingtouren aufmachte.
    „Ich wünsche mir, dass du eines Tages so tief in den Dreck fällst, dass du dich nie wieder davon erholst. Deine Arroganz macht mich wirklich krank. Früher warst du nicht so.“
    Er war nicht im Mindesten getroffen von ihrem nicht allzu frommen Wunsch. Dieses Gespräch folgte dem üblichen Muster.
    „Ich war noch ein halbes Kind, als wir uns das erste Mal getroffen haben, und ich bin erwachsen geworden.
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