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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen
Autoren: Richard Swartz
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Schenkel, aber diesmal mit den Fäusten, wand sich unter ihm hin und her und jammerte wie ein verwöhntes Mädchen, das seinen Willen nicht bekommt und sich damit nicht abfinden will.
    Danach griff sie mit den Händen in das Haar des Mannes, immer noch auf dem Rücken unter ihm, während sie eine Melodie summte, die er zu erkennen meinte. Erst bei Einbruch der Dämmerung mussten beide müde geworden sein. Lange lag die Frau in den Armen des Mannes. Er atmete den süßen Duft aus ihrer klebrigen Spalte, aus ihren Achselhöhlen und ihrem Mund, der sich wie bei einem Fisch geöffnet hatte, bevor sie einschlief.
    Heute Nacht hast du gesagt, dass du mich liebst, flüsterte sie, als sie spät am Sonntagmorgen aufwachten. Aber das musste sie erfunden haben. Nicht einmal im Traum konnte der Mann sich vorstellen, so etwas gesagt zu haben.
    Habe ich das, fragte er.
    Wir beide, murmelte sie, bevor sie wieder einschlief. Du und ich.
    Erst gegen Mittag hatten sie ausgeschlafen und stiegen aus dem Bett. Lange hielt sich die Frau im Badezimmer auf, zog sich dann schnell an, stehend tranken sie in der Küche einen Kaffee, bevor die Frau ihm mitteilte, dass sie den Entschluss gefasst habe, ihre Affäre zu beenden, sie liebe ja ihren Mann und habe deshalb beschlossen, zu ihm zurückzukehren, von weiteren Treffen und Telefongesprächen könne nicht mehr die Rede sein.
    Ich verbiete dir, mich anzurufen, sagte sie, ehe sie nach Hause ging.
    Der Mann kehrte ins Bett zurück, um noch ein paar Stunden zu schlafen. Er schlummerte sofort ein, schlief tief und traumlos. Als er wieder aufstand, war es schon Nachmittag. Bald würde seine Frau mit dem Zug aus Innsbruck ankommen.
    Der Mann begann die Spuren des Abends und der Nacht in Küche, Speisezimmer, Schlafzimmer und Badezimmer zu beseitigen, in ziemlich guter Laune und erwartungsvoller Stimmung, nur die Blumen mit Ausnahme der Tischdekoration ließ er da, auch die halbwelken, auch die Bettwäsche wechselte er, und recht zufrieden mit seinem Werk inspizierte er die Wohnung noch einmal, sicherheitshalber, und dabei entdeckte er die Haarbürste.
    Sie liegt auf der Ablage unter dem Badezimmerspiegel, eine rosa Bürste aus billigem Plastik. Der Mann ist sich so gut wie sicher, dass er sie noch nie gesehen hat. Aber was sieht ein Mann in einem Badezimmer?
    Die Frau musste sie auf dieser Ablage vergessen haben, eine Haarbürste, die besser zu einer Geliebten als zu einer Ehefrau passte, so viel wenigstens glaubt der Mann über die Frauen zu wissen, aber um sicherzugehen, ruft er die Frau trotz des Verbots an.
    Niemand antwortet. Auch eine Stunde später nicht.
    Jederzeit kann seine Ehefrau zurück sein, und schließlich entscheidet sich der Mann dafür, die Haarbürste verschwinden zu lassen wie einst das Höschen der Geliebten. Also wirft er sie weg. Eine Haarbürste aus Plastik, die sie vergessen hat, ohne sie einen ganzen Sonntagnachmittag lang zu vermissen, ist sicher kein größerer Verlust. Außerdem fühlt es sich an wie eine Art Revanche; jetzt hat auch er sie aus seinem Leben geräumt.
    Als seine Ehefrau nach Hause kommt, ist sie von der Blumenpracht freudig überrascht, von Zimmer zu Zimmer geht sie und bewundert Wildrosen und Tulpen, und nicht einmal die halbwelken stören ihre Freude daran, wieder zu Hause zu sein, lass uns zum Essen ausgehen, sagt der Mann, beflügelt von ihrer guten Laune.
    Aber nach einem kurzen Abstecher ins Badezimmer ist seine Ehefrau finster und bleich, die gute Laune ist verflogen, der Mund nur noch ein dünner, straffer Strich, als habe ihn jemand mit Hilfe einer Rasierklinge oder eines scharfen Messers da drinnen im Badezimmer in ihr Gesicht gezogen.
    Was ist, fragt der Mann. Bist du müde von der Reise?
    Die Ehefrau verneint. Stattdessen sagt sie, sie sei nicht mehr hungrig. Und dann, dass sie etwas mit ihm zu besprechen habe. Darauf antwortet der Mann, er hingegen sei hungrig. Ob das nicht warten könne?
    Nein, sagt die Ehefrau. Es hat schon viel zu lange warten müssen.
    Ist in Innsbruck etwas passiert, fragt der Mann. Die Ehefrau verneint. Nein, sagt sie. Nicht in Innsbruck, in Innsbruck ist überhaupt nichts passiert.
    Aber auch an einem Tag wie heute, so lange nach der Scheidung, würde der Mann behaupten, dass mit jedem Jahr, das vergeht, gerade diese rosa Haarbürste aus billigem Plastik eigentlich mehr für ihn als für sie spricht, dass eine solche Bürste nicht nur die Bosheit seiner damaligen Ehefrau entlarvt, schon damals für jeden
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