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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen
Autoren: Richard Swartz
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Abend bedankt, aber ihre neue Freundin hätte nur gesagt, sie habe viel zu tun und es würde wohl schwierig werden, sich in der nächsten Zeit zu sehen.
    Wie schade, wo doch alles so gut angefangen hat, sagte seine Frau. Sie fehlt mir schon jetzt.
    Die Tage vergingen, ohne dass er etwas von sich hören ließ. Doch mit jedem weiteren Tag wurde es schwieriger, das aufzugreifen, was der Mann nicht als abgeschlossen betrachten wollte, aber dennoch Tag für Tag ausklammerte. Die Tage vergingen. Wie hatte diese Frau aus seinem Leben verschwinden können? Die Straßen in ihrem Viertel erschienen ihm leer, obwohl so viele Leute dort waren wie üblich, nur sie fehlte. Der Mann drückte beim Gemüsehändler die Avocados, roch an Erdbeeren und Käse, schaute beim Metzger vorbei, alles wie früher, aber trotzdem hatte sie dieses Viertel veröden lassen, das noch vor ein paar Wochen das ihre gewesen war.
    In den Läden mussten die Besitzer und sogar das Hilfspersonal geahnt haben, dass etwas nicht stimmte. Sobald der Mann ohne die Frau auftauchte, waren sie misstrauisch geworden, so zufrieden waren sie gewesen mit dem Betrug, den dieses Paar zusammen so harmonisch verkörperte, dass sie es jetzt vermissten und anfingen Fragen zu stellen, obwohl ja die Ordnung wiederhergestellt war, der Mann war wieder allein, aber in solchem Maße hatten sie sich an den Betrug gewöhnt, dass sie sich jetzt die Unordnung zurückwünschten.
    Der Mann schob auf, was er hätte tun sollen. Die Arbeit blieb liegen. Stattdessen unternahm er ziellose Spaziergänge in dem Viertel zwischen Naschmarkt und Mariahilfer Straße. Im Sperl bestellte er einen Kaffee. Andere Gäste saßen in die Zeitung vertieft an den Tischen, die Gesichter verborgen hinter einem fernen Krieg oder Unruhen an der Börse, und als eine solche Zeitung auf die Marmorplatte des Cafétisches herabsank, entdeckte der Mann ein Gesicht, das ihm bekannt war, ein aufgeschwemmtes und gesprungenes; es war das des Anwalts.
    Ohne den Mann oder einen anderen der Gäste zu sehen, starrte er irgendwie abwesend ins Lokal, aber doch ziemlich zufrieden, wie es schien. Vielleicht hatte er ein spätes Frühstück gegessen und genoss jetzt seine Einsamkeit, den späten Vormittag und das erste Sonnenlicht des Tages, das durch die schmutzigen Kaffeehausfenster zur Gumpendorfer Straße sickerte.
    Erst Mitte der dritten Woche, es war ein Donnerstag, rief der Mann an.
    Die Frau war am Apparat, Sie müssen die falsche Nummer gewählt haben, sagte sie, ja, es war ihre Stimme, aber sofort hatte sie aufgelegt, wie sie es vereinbart hatten, falls sie nicht allein waren und ungestört miteinander reden konnten. Vielleicht war ihr Mann zu Hause. Oder wollte sie ihn bestrafen? Einen Liebhaber, der sich drei Wochen lang nicht gemeldet hatte? Für ein solches Abtauchen brauchte es ja eine glaubwürdige Erklärung, aber es gab keine Erklärung, der Mann hatte keine andere Entschuldigung als etwas, das er nicht sagen konnte, nämlich dass er seit dem Abend in der Oper nicht die geringste Lust verspürt hatte, weder auf ihren Körper noch auf ihre Gesellschaft.
    War er verreist gewesen? Eine schwere Krankheit wäre eine bessere Entschuldigung als eine Reise, aber schwere Krankheiten dauern länger als drei Wochen. Eine Erkältung wäre eine Beleidigung, außerdem geradezu lächerlich, und aus Gründen, die der Mann nur ahnte, vielleicht rein instinktiv, hütete er sich vor dem Lächerlichen, als ob das Lächerliche das zerstören würde, woran der Mann als etwas Schönes und Abenteuerliches denken wollte.
    Eines Tages, als er in der Gumpendorfer Straße im Bus saß, sah er die Frau an der Haltestelle unterhalb des Gürtels einsteigen. Sie war in Gesellschaft einer Freundin, auf typisch weibliche Art waren sie damit beschäftigt, einander etwas zu erzählen, lösten die Fahrkarten und gingen langsam im Bus nach hinten, auf der Suche nach zwei Sitzplätzen, und wie gelähmt starrte der Mann vor sich hin und an ihnen vorbei; nicht einmal eine Zeitung oder eine Aktentasche hatte er, um sich dahinter zu verbergen, aber ein paar Reihen vor ihm gab es tatsächlich zwei freie Plätze, welche die beiden Frauen einnahmen, ohne ihn zu entdecken.
    Trotzdem kam es ihm so vor, als sei er auf frischer Tat ertappt worden, als könne ein Schrei der Bestürzung und des Zorns jederzeit durch den Bus erschallen. Seine Hände zitterten. Hinter den Fahrgästen in der Reihe vor ihm versuchte der Mann sich so klein wie möglich zu machen. Das
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