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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen
Autoren: Richard Swartz
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Abgrund saß ihr Mann, der Anwalt, mit der Gattin des Mannes in derselben Dunkelheit, So komm doch, die Zeit eilt! Ihr Kleid war über den halben Rücken gerutscht, und darunter bewegte sich der kreideweiße Hintern auf und ab, bog sich von einer Seite zur anderen, wie wenn ein Schmetterling sich aus seiner Puppe zu befreien versucht, Agathe! Sie springt in den Fluss! Hinab, hinab ich muss! Und der Mond schimmerte über der Wolfsschlucht und diesem nackten Körperteil wie ein hellerer Fleck in der Dunkelheit, matt wie aus Perlmutt oder Silber, ein Vollmond, der in zwei Halbkugeln gespalten war, auf und nieder, von einer Seite zur anderen, immer heftiger, bis ein Zittern über ihren nackten Rücken lief, die Frau erstarrte in seinen Armen, wurde still und sank langsam auf seinen Schoß hinunter.
    Auf der Bühne herrschte immer noch Nacht, und da saßen sie eine Weile regungslos in der Dunkelheit, bis der Mann spürte, dass er wieder in ihr zu wachsen begann, und als er die Hand auf ihren Rücken legte, war dieser feucht und warm, nimm mich, flüsterte sie, nimm mich, und ein zweites Mal nahm er sie, aber diesmal war der Schmetterling schon aus seiner Puppe geschlüpft und auf eine Nadel aufgespießt, hilflos flatterten die Schmetterlingsflügel in der Dunkelheit, ein durchstochener und festgenagelter Körper, und erschöpft von der Anstrengung schloss der Schmetterling die Flügel um ihn, ganz still war die Frau wieder, und langsam, unendlich langsam zog ihr der Mann das Kleid über den Rücken hinunter, Jo ho, wau wau, Ho ho, jaulte der Chor, und zumindest einen einzigen kräftigen Paukenschlag hätte der Mann sich aus dem Orchestergraben gewünscht, aber kein Paukenschlag erklang; er musste dem Anwalt recht geben, diese webersche Musik passte besser für Schuljungen, nur die Wolfsschlucht gehörte der Erwachsenenwelt an.
    Das Souper im Sacher wurde nicht das, was der Mann erwartet hatte. Die Stimmung war gedrückt, alle waren zunächst wortkarg. Der Anwalt bestellte Tafelspitz, seiner Meinung nach das Beste, was das Haus zu bieten hatte, im Sacher soll man immer Tafelspitz bestellen, sagte der Anwalt.
    Aber auch er war nicht sehr redselig, irritiert über seine Frau, die überhaupt keinen Appetit zu haben schien, nur in ihrem Salat mit der Gabel hin und her stocherte, meine Frau isst mit den Augen, und dann bleibt alles auf dem Teller liegen, sagte der Anwalt ärgerlich, immer dasselbe, fügte er hinzu, nachdem er fertig gekaut hatte, was in seinem Mund war, während seine Frau sich nicht einmal bemühte zu verbergen, wie sehr sie sich langweilte.
    An diesem Abend redete sie noch weniger als sie aß, und der Mann sah, dass dies seine eigene Frau verwirrt und traurig machte, die neue Freundin seiner Geliebten, während er für sein Teil versuchte, dem Anwalt zu Gefallen zu sein, und ihm mit Lammkoteletts und ein paar lustigen Geschichten Gesellschaft leistete, obwohl auch er nicht besonders hungrig war.
    Hin und wieder versuchte der Mann den Blick der Frau zu fangen, aber sie hielt sich an ihren Salat und vermied es, ihn anzusehen, eigentlich ist es doch viel zu spät zum Essen, sagte die Gattin des Mannes, die ihrerseits nur eine Bouillon mit Eigelb bestellt hatte, ärgerlich sah der Anwalt von seinem Teller auf und musterte die Gattin des Mannes mit missbilligender Miene, und es war deutlich zu sehen, dass dieses pockennarbige, verdorbene Gesicht mit seinen geplatzten Äderchen weit mehr mit dem zu tun hatte, was sich auf den Tellern und in den Gläsern des Anwalts zu finden pflegte, als mit etwas, was sich in seinem Inneren abspielte.
    Und dennoch! Trotz dieses rötlichen, geschwollenen Gesichts hatte der Anwalt etwas durch und durch Gutmütiges und fast Fürsorgliches an sich, eine Art Unreife, wie für die Ewigkeit bestimmt, und sicher hätte er sich in kurzen Hosen besser gefühlt als in diesen teuren Anzügen von Kniže oder Adelmüller, die vielleicht zu seinem Körper passten, aber nicht zu seiner Person, ein Kind, dachte der Mann, kein Anwalt mit eigener Kanzlei, ja, ein großes Kind war es, das sie geheiratet hatte, und dieser Gedanke war kaum schmeichelhaft für den Mann, er nahm ihm ein wenig von dem Stolz auf seine Eroberung, als wäre auch diese nur ein Kinderspiel und der Mann selbst jemand, der durch jeden Beliebigen aus der Reihe der Liebhaber hätte ersetzt werden können, welche die Frau wohl gewöhnlich die Anzüge ihres Gatten probieren ließ, und während er fortfuhr, die Vorstellung des Abends
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