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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts
Autoren: Gillian Bradshaw
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    Als mein Vater die Nachricht vom Tod des Pendragon erhielt, spielte ich gerade mit meinen Booten am Meer.
    Ich war damals elf Jahre alt, und als Krieger war ich genauso schlecht wie jeder andere Junge im Reich meines Vaters auf den Innsi Erc, den Orkneyinseln. Da ich auch ein schlechter Jäger war, hatte ich mit den anderen wenig gemeinsam, die mit mir im Haus der Knaben wohnten und ausgebildet wurden. Noch weniger gemeinsam hatte ich mit meinem älteren Bruder Agravain, denn er war der Anführer der anderen Jungen, die mir das Leben schwermachten - fast so schwer, wie es mir die Pläne machten, die mein Vater für mich hatte. Vor all diesen Kriegern und zukünftigen Kriegern zog ich mich manchmal zu meinem jüngeren Bruder zurück, aber noch viel öfter ging ich zu meiner geheimen Stelle, die ich am Meer hatte.
    Sie lag etwa einen Stundenritt südlich von Dun Fionn, der Festung meines Vaters. Ein kleiner Bach stürzte die Klippe hinab, die unsere Insel im Westen begrenzt, und das Wasser schneidet eine Rinne in den Fels. Unten, aufgehalten durch einen Grat aus härterem Gestein, bildet der Bach einen tiefen Teich hinter dem kiesigen Strand; von dort fließt das Wasser zum Ozean ab. Überhängende Klippen machen die Stelle von oben unsichtbar, und so hat niemand außer mir selbst jemals davon gewußt. Und weil es mir dort so sehr gefiel, nahm ich die Stelle für mich in Besitz. Ich gab ihr einen Namen - Llyn Gwalch, »Der Bach des Falken« -, und ich war dort weltenweit entfernt von Dun Fionn und den Orkneys, und es war alles viel, viel besser. Manchmal nahm ich meine Harfe hierher mit, und dann sang ich zu den Wellen, die an den Strand schlugen, bei Flut in den Teich flossen und bei Ebbe auf dem Kies zischten. Manchmal baute ich Festungen aus Kies und Schlamm, und dann plante ich Schlachten auf dem Bach, als ob er ein großer Fluß sei und die Grenze zwischen mächtigen Königreichen. Ich kam mir wie ein großer Krieger vor, erfahren in allen Arten des Kampfes, bewundert von Agravain und meinem Vater und besungen in jeder Königshalle der westlichen Reiche. Mein Lieblings spiel aber bestand darin, Schiffe zu bauen. Die ließ ich dann von dem dunklen Teich hinaus in das wilde, graue Meer segeln. Ich schickte meine Schiffe nach Westen: nach Erin, von wo mein Vater vor Jahren hergesegelt war, und über Erin hinaus zu der geheimnisvollen Insel, von der die Druiden und Poeten sagen, daß sie westlich des Sonnenuntergangs liegt. Die Insel ist unsichtbar für alle, bis auf wenige Sterbliche, und dort leben die Sidhe in ewiger Glückseligkeit.
    Ich liebte Llyn Gwalch sehr, und ich hütete die Stelle eifersüchtig vor allen Eindringlingen aus der Welt da draußen. Nur meinem jüngeren Bruder Medraut hatte ich von ihrer Existenz erzählt, und das auch erst, nachdem ich ihn hatte schwören lassen, mein Geheimnis zu bewahren. Als ich nun das Klacken eines Steines vom Pfad über mir hörte, ließ ich schnell die Karacke stehen, an der ich gerade baute, und kletterte die Rinne hinauf. Ich hatte mein Pferd oben angebunden zurückgelassen, und ich wollte nicht, daß jemand auf der Suche nach mir hinuntergestiegen kam.
    »Gawain?« Die Stimme, die von der Klippe herunterschallte, gehörte Agravain.
    »Ich komme!« rief ich und kletterte schneller.
    »Es ist auch besser, du beeilst dich«, meinte Agravain. Er klang zornig. »Vater wartet auf uns. Er hat mich geschickt, um dich zu suchen.«
    Ich erreichte die Spitze der Klippe, schüttelte mir das Haar aus den Augen und starrte Agravain an. »Was will er denn?« Mir gefiel das nicht. Mein Vater wartete nicht gern, und wenn ich zurück nach Dun Fionn kam, dann würde er sicher wütend sein.
    »Was er will, das geht dich nichts an.« Agravain war richtig zornig. Er war es leid, dauernd nach mir zu suchen, und wahrscheinlich fürchtete er, daß er etwas vom Zorn meines Vaters abbekommen könnte. »Bei der Sonne und dem Wind, kannst du dich nicht beeilen?«
    »Ich beeil’ mich ja.« Ich war schon dabei, mein Pferd loszubinden, als ich das sagte.
    »Gib mir keine Widerworte! Für dich wird es sowieso schlimm genug werden. Wir sind spät dran, und Vater sieht es sicher nicht gern, wenn du  so  vor dem Gast erscheinst. Du siehst fürchtbar aus.«
    »Gast?« Ich wollte aufsitzen, aber ich blieb stehen. »Ist es ein Barde oder ein Krieger? Woher kommt er?«
    »Aus Britannien. Ich weiß nicht, aus welchem Königreich. Vater hat mich nach dir geschickt, sobald er mit dem Mann gesprochen
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