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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bewaffneten Männern erreicht. Und immer noch mehr kamen hinzu. Sogar der fette Birjukow, der Fellaufkäufer, erschien. Aber nicht etwa, um mitzureiten, sondern um zu rufen: »Schießt gut und bringt die Felle möglichst unversehrt mit! Je weniger Löcher darin sind, um so mehr bezahle ich!«
    Die Retter kamen in letzter Minute. General Schejin hatte bis auf neun Patronen die gesamte Munition verschossen, als die Männer von Jenjuka die Wolfsrudel erreichten. Was dann geschah, war die größte Wolfsvernichtung, die Sibirien je erlebt hatte. Schluchzend vor Freude hob Miron Ninotschka aus dem Sattel und trug sie wie ein Kind auf seinen Armen zu General Schejin. »Da ist sie!« rief er dabei. »Da ist unser Engel!«
    Und Schejin verneigte sich tief und sagte: »Ninotschka Pawlowna, ich verdanke Ihnen mein Leben. Unsere Abmachung gilt. Und wenn der Zar sich weigert, werde ich ihm meinen Degen vor die Füße werfen und zu Ihnen in das Lager Jenjuka kommen.«
    Um Mitternacht kehrten sie zurück, umlodert von brennenden Fackeln. Auf den Kruppen der Pferde lagen die Wolfsfelle. Es waren zweihundertvierundfünfzig Stück. Birjukow, dem man die Zahl zurief, hielt sich am Türpfosten fest und stöhnte: »Ich bin erledigt! Ich wollte doch nicht alle Wölfe Sibiriens kaufen!«
    Auch die Verbannten standen vor dem Lager, unter ihnen Borja Tugai. Als er Ninotschka erkannte, lief er ihr entgegen, und sie sprang in seine ausgebreiteten Arme, noch bevor ihr Pferd stand.
    »Ninotschka«, stammelte Borja heiser. Er war in den letzten Stunden vor Angst halb wahnsinnig geworden. Dann versagte ihm die Stimme, und er drückte seine Frau nur noch stumm an sich und spürte, wie sie zitterte.
    »Wir haben es geschafft, Borjuschka«, sagte Ninotschka. »Ich habe dein Leben erkauft. Borja, wir werden frei sein! Frei! Frei! Wir werden hingehen können, wohin wir wollen. Borjuschka, dein Leben gehört wieder dir!«

XIV
    General Schejin stand zu seinem Wort. Mit dem nächsten Postreiter, der nach Irkutsk ritt, schickte er einen langen Bericht über den Kampf gegen die Wölfe und seine Lebensrettung durch Ninotschka Pawlowna.
    Da alle Post zunächst Gouverneur Semjon Iljajewitsch Abduschej vorgelegt wurde, verbreitete sich die Nachricht von dem Geschehen in Jenjuka schnell in ganz Südsibirien.
    War Ninotschka bisher nur nördlich von Tschita als ›Herrin der Taiga‹ bekannt geworden, so sprach man jetzt in den übrigen sibirischen Städten und Garnisonen nur noch von der ›wilden Gräfin‹ oder sogar der ›Tochter des Helden Jermak‹.
    Der Kosaken-Ataman Jermak war es gewesen, der einst im Auftrag der reichen Stroganoffs zuerst über den Ural gezogen war und mit einer kleinen Streitmacht im Jahre 1581 mit der Eroberung Sibiriens begonnen hatte.
    Jetzt hatte eine Frau dieses herrliche, wilde Land bezwungen; eine Frau voll ungebrochenen Mutes, eben eine Heldin wie einst der sagenumwobene Kosaken-Ataman. Zudem war sie noch die Tochter des Grafen Koschkin, der zwar im vergangenen Jahr gestorben war – aus Gram um sein fernes Töchterchen, wie es hieß –, bei dessen Begräbnis aber der Zar selbst eine geweihte Kerze vor dem Sarg hergetragen hatte.
    »Ich habe so etwas kommen sehen«, meinte General Abduschej, als der Bericht seines Freundes Schejin auf seinem goldverzierten Schreibtisch lag. »Wie sie zum erstenmal hierherkam, diese Ninotschka Pawlowna, wie sie alle da vor mir standen, die Frauen, schmutzig und zerlumpt, aber trotzdem mit einer geradezu königlichen Haltung, als kämen sie nicht aus der Wildnis, sondern gerade von einem Hofball, da wußte ich: an diesen Frauen wird jede Rache des Zaren zerbrechen!«
    Abduschej unterschrieb das Bittgesuch des Generals Schejin, Borja Stepanowitsch Tugai zu begnadigen, und unterstrich die folgende Stelle in dem Bericht:
    ›Ich bitte Eure Majestät, diesen Gnadenakt zu vollziehen. Ich habe mein Wort und meine Ehre verpfändet, mein Leben gegen das Leben des Gardeleutnants Tugai zu setzen. Wenn Majestät sich nicht in der Lage sehen, Großmut und Güte, die edelsten Zierden eines Herrschers, walten zu lassen, bitte ich Majestät, auf Euren Diener Schejin zu verzichten. Ich werde dann meinen Degen zerbrechen und freiwillig zu den Deportierten von Jenjuka ziehen, um einer der ihren zu sein …‹
    General Abduschej zögerte. Ließ sich der Zar auf solche Weise umstimmen? War das nicht eine Art von Erpressung? Der Gouverneur saß lange über diesem Brief von General Schejin, wanderte dann unruhig in
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