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0408 - Der Gespenster-Galgen

0408 - Der Gespenster-Galgen

Titel: 0408 - Der Gespenster-Galgen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Eine Fackel brannte. Ihr Lichtschein reichte gerade ein paar Meter weit, aber mehr war auch nicht nötig. Für den Rest sorgte das Mondlicht. Es war eine helle, warme Nacht. Windstill. Grillen sangen ihre Lieder. Irgendwo schrie ein Nachtvogel. Schritte raschelten im Gras.
    Zwei Menschen bewegten sich durch die Nacht. Die Fackel erhellte ihren Weg durch die Felder. Links zog sich ein ausgedehntes Waldgebiet dahin, irgendwo rechts war der Lichtschein einer kleinen Ortschaft zu sehen. Ein kaum wahrnehmbarer Schemen über dem Hügel.
    Stefanie Grausson und Maurice Belcaines genossen die Stille. Wortlos, Hand in Hand, schritten sie langsam aus. Es war einer von Maurices letzten Urlaubstagen. In Kürze würde er schon wieder Uniform tragen und lernen, wie man Kriege führt. Aber das war so unendlich weit, weit weg. So weit, daß er gar nicht daran denken wollte. Nicht in diesen Minuten und Stunden der Liebe.
    Ein nächtlicher Ausflug… fort vom Dorf, von Stefanies Vater, der mit Maurice nichts zu tun haben wollte, weil der Soldat war. Der alte Pierre Grausson hatte während seiner Wehrdienstzeit bei einem Panzerunfall einen Arm und ein Bein verloren, und seitdem verabscheute er alles, was mit Militär zu tun hatte.
    Stefanie verstand das zwar, aber sie sah nicht ein, weshalb sie diè Abneigungen ihres Vaters teilen sollte, den ein tragisches Schicksal zum Sonderling gemacht hatte. Wenn er nichts mit dem Militär zu tun haben wollte und sogar Steuerzahlungen mit dem Protestvermerk versah, daß von seinem Geld nichts für Rüstungsausgaben verwendet werden solle, war das seine private Sache. Und Maurice würde die Uniform doch nicht sein ganzes Leben lang tragen.
    Ein Jahr noch… dann war seine Soldatenzeit vorbei. Dann war er wieder ein normaler Bürger in Zivil.
    Aber Pierre Grausson wollte das nicht einsehen in seinem verbohrten Haß. Er hatte Stefanie den Umgang mit Maurice Belcaines verboten. Bloß hatte Liebe sich noch nie mit Verboten unterdrücken lassen.
    Deshalb waren sie jetzt in der Nacht unterwegs. Zwei Fackeln hatte Maurice mitgenommen, weil das romantischer war als Taschenlampen. Eine Fackel für den Hinweg, eine für den Rückweg. Wo das Ziel lag, wußten sie beide nicht. Irgendwann würde die Fackel so weit heruntergebrannt sein, daß sie nicht weiter gehen würden, sondern im Gras liegen und sich lieben…
    Stefanie blieb stehen. »Schau mal«, sagte sie leise.
    Auch Maurice verharrte. Sein Blick folgte der Richtung, die Stefanies ausgestreckter Arm wies.
    »Nanu«, murmelte er verblüfft. »Was soll denn das werden, wenn’s fertig ist?«
    »Sieht wie ein Galgen aus«, sagte Stefanie. »Aber was tut der da oben auf dem Hügel?«
    »Er steht«, konterte Maurice trocken. Er ließ Stefanies Hand los und kratzte sich hinterm Ohr, eine typische Verlegenheitsgeste. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Ein Galgen hier in der Landschaft? Das ergab keinen Sinn. »Ein Scherz«, brummte er. »Aber ein recht makabrer… solchen Scherzen kann ich nichts abgewinnen.«
    »Ob das… von Filmaufnahmen übriggeblieben ist?« überlegte Stefanie. »Du weißt doch, dieser ganze Quatsch, den sie wegen der Revolution gemacht haben…«
    Maurice schüttelte den Kopf. »Dann hätten sie allenfalls eine Guillotine aufgebaut. Aber die wäre garantiert nicht stehengeblieben. Und außerdem, hier auf dem Land hat sich doch nie großartig etwas abgespielt. Die Köpfe sind vorwiegend in Paris gerollt, gleich dutzendweise pro Tag.«
    Stefanie schmiegte sich an ihn. Sie schauderte. »Unvorstellbar…«
    Auch Maurice fand es unvorstellbar - wie alles, das länger zurücklag als seine Geburt. Er grinste, um Stefanie aufzumuntern. »Die waren verrückt damals. Da machen sie eine Revolution, um die Monarchie abzuschaffen, köpfen ihren König - und was bekommen sie statt dessen? Einen Kaiser. Napoleon.«
    Stefanie fand das gar nicht witzig. »Es war ein erster schritt zur Freiheit«, sagte sie ernst.
    »Mit einem hohen Blutzoll. Zu, hoch. Die schönste Revolution mit den edelsten Zielen wird zur Farce, wenn irgend welche mörderischen Irren die Macht ergreifen, so wie das mit Robespierre und anderen der Fall war. Die Russen sind gescheiter. Gorbatschow geht den besseren Weg - ohne Blut und Hinrichtungen.«
    »Aber auch mit Protesten, Aufständen und Demonstrationen…«
    Maurice bückte sich, steckte die Fackel in den Boden und umarmte Stefanie dann. Er zog sie an sich und küßte sie.
    »Wir sollten über etwas anderes reden. Und hier
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