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Night World - Retter der Nacht

Titel: Night World - Retter der Nacht
Autoren: Lisa J. Smith
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überzeugen. Aber was waren die richtigen Worte? Schließlich entschied er sich, geradeheraus zu reden.
    »Es geht um Poppy. Sie ist schon seit einer Weile krank, und man glaubt, dass sie Krebs hat.«
    Dr. Rasmussen sah überrascht aus. »Es tut mir leid, das zu hören.« Aber es lag kein Bedauern in seiner Stimme.
    »Und es ist eine schlimme Art von Krebs. Er ist mit großen Schmerzen verbunden und zu fast einhundert Prozent unheilbar.«
    »Das ist schade.« Wieder lag nichts als milde Überraschung im Tonfall seines Vaters. Und plötzlich wusste James, woher das kam. Es war ihm völlig egal, dass Poppy krank war; aber er war überrascht, dass James sich die Mühe gemacht hatte, hierher zu fahren, nur, um es ihm zu sagen.
    »Dad, wenn sie diese Art von Krebs hat, wird sie sterben. Bedeutet dir das denn gar nichts?«
    Dr. Rasmussen presste die Fingerspitzen gegeneinander und starrte auf die polierte Oberfläche seines Mahagonischreibtischs. Er sprach langsam und ruhig
: »James, wir haben das alles schon einmal durchgemacht. Du weißt, deine Mutter und ich haben uns Sorgen darüber gemacht, dass deine Beziehung zu Poppy zu eng werden könnte. Dass du sie zu sehr mögen könntest …«
    James fühlte eiskalte Wut in sich aufsteigen. »So, wie ich Miss Emma zu sehr gemocht habe?«
    Sein Vater zuckte mit keiner Wimper. »So ungefähr.«
    James kämpfte gegen die Bilder an, die vor seinem inneren Auge aufstiegen. Er durfte jetzt nicht an Miss Emma denken, er musste absolut cool und unbeteiligt bleiben. Das war der einzige Weg, seinen Vater zu überzeugen.
    »Dad, was ich sagen will, ist, dass ich Poppy schon fast mein ganzes Leben lang kenne. Sie ist nützlich für mich.«
    »Inwiefern? Ich nehme an, nicht so, wie wir Menschen im Allgemeinen als nützlich betrachten. Sie hat dir doch nie als Nahrung gedient, oder?«
    James schluckte. Ihm wurde leicht übel. Poppy als Nahrung? Sie auf diese Weise zu benutzen? Schon der Gedanke daran war ihm zuwider.
    »Dad, sie ist meine Freundin«, sagte er und gab es auf, objektiv zu klingen. »Ich kann nicht mit ansehen, wie sie leidet. Ich kann das einfach nicht. Ich muss etwas tun.«
    Die Miene seines Vaters erhellte sich. »Ach, so ist das.«

    James wurde fast schwindlig vor Erleichterung. »Du verstehst es?«
    »James, manchmal kann man einfach nicht anders, als Mitleid mit den Menschen zu empfinden. Im Großen und Ganzen würde ich so etwas nicht unterstützen, aber du kennst Poppy ja tatsächlich schon sehr, sehr lange. Wenn du Mitleid mit ihr fühlst, wenn du ihr Leiden verkürzen willst, ja, das würde ich verstehen.«
    Seine Erleichterung war mit einem Schlag zunichte. Er starrte seinen Vater ein paar Sekunden an, dann sagte er leise: »Der Gnadentod? Ich dachte, der Rat der Ältesten hätte es uns verboten, in dieser Gegend Menschen zu töten.«
    »Sei nur sehr diskret. Solange es nach einer natürlichen Todesart aussieht, werden wir alle ein Auge zudrücken. Und es wird keinen Grund geben, den Ältestenrat zusammenzurufen.«
    James hatte plötzlich einen metallischen Geschmack im Mund. Er stand auf und lachte kurz. »Danke, Dad. Du hast mir wirklich sehr geholfen.«
    Sein Vater schien den Spott nicht zu hören. »Das freut mich, James. Übrigens, wie sieht’s in den Appartements aus?«
    »Alles in Ordnung«, antwortete er ausdruckslos.
    »Und in der Schule?«
    »Die Schule ist aus, Dad.« James verließ den Raum.
    Im Innenhof lehnte er sich an eine Wand und starrte
in das plätschernde Wasser des Springbrunnens. Er wusste keinen Ausweg mehr, hatte keine Hoffnung. Die Gesetze der Nachtwelt ließen ihm keine Wahl.
    Wenn Poppy wirklich an dieser Krankheit litt, dann würde sie daran sterben.

KAPTITEL VIER
    Poppy starrte lustlos auf ihr Tablett mit Hähnchen und Pommes frites, als Dr. Franklin ins Zimmer kam.
    Die Untersuchungen waren überstanden. Die CT war ganz okay gewesen, sie hatte sich in der Röhre nur ein wenig beengt gefühlt. Aber die Spiegelung war grauenvoll gewesen. Jedes Mal, wenn sie schluckte, fühlte Poppy immer noch den Schlauch in ihrem Hals.
    »Na, so was. Du verschmähst die leckere Krankenhauskost?«, fragte Dr. Franklin mit leisem Humor. Poppy gelang es, ihn anzulächeln.
    Er redete weiter über belanglose Dinge und verlor kein Wort über die Ergebnisse der Untersuchungen. Poppy wusste nicht, wann sie vorliegen sollten, aber sie war Dr. Franklin gegenüber trotzdem misstrauisch. Das lag an der sanften Art, wie er ihren Fuß unter der Decke tätschelte,
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