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Night World - Retter der Nacht

Titel: Night World - Retter der Nacht
Autoren: Lisa J. Smith
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ihrer Schule.
    Es ist egal. Er wird später anrufen. Ich muss jetzt nicht darüber nachgrübeln, tröstete Poppy sich.

    Tatsächlich war es bei so vielen Besuchern im Zimmer unmöglich nachzudenken. Und das war gut so. Es schien unglaublich, dass Poppy dasitzen und locker reden konnte, während ein Teil von ihr weiter weg war als der Mars. Aber sie unterhielt sich mit ihren Freundinnen und das schaltete ihren Verstand ab.
    Keine von ihnen hatte eine Ahnung, wie krank sie wirklich war. Nicht einmal Phil, der echt besorgt, sehr lieb und fürsorglich war. Sie redeten über ganz normale Dinge, über Partys, Rollerblading, Musik, Filme und Bücher. Dinge aus Poppys altem Leben, das plötzlich hundert Jahre lang her zu sein schien.
    Cliff mischte sich auch in die Unterhaltung ein. Er war sogar noch netter zu ihr als damals, als er um ihre Mutter geworben hatte.
    Aber schließlich ging der Besuch und Poppys Mutter blieb. Sie berührte Poppy immer wieder mit leicht zitternden Händen. Wenn ich es noch nicht erfahren hätte, dann wüsste ich es jetzt, dachte Poppy. Mom ist nicht sie selbst.
    »Ich glaube, ich bleibe heute Nacht hier«, schlug ihre Mutter vor, aber sie schaffte es nicht ganz, beiläufig zu klingen. »Die Krankenschwester sagte, ich könnte auf dem Fenstersitz schlafen. Das ist im Grunde ein Sofa für Eltern. Ich überlege nur, ob ich kurz nach Hause fahren und noch ein paar Dinge holen soll.«
    »Tu das ruhig«, antwortete Poppy. Es gab nichts, was
sie sonst hätte sagen können, ohne zu verraten, dass sie Bescheid wusste. Außerdem war ihre Mutter ganz offensichtlich am Ende ihrer Kräfte und brauchte für kurze Zeit etwas Abstand.
    Gerade als ihre Mutter ging, kam eine Krankenschwester herein, um Poppys Temperatur und ihren Blutdruck zu messen. Danach war Poppy allein.
    Es war spät. Sie konnte immer noch einen Fernseher hören, aber das Geräusch klang von weit her. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Der Flur lag im Dämmerlicht. Stille hatte sich über der Station ausgebreitet.
    Poppy fühlte sich sehr allein und die Schmerzen kamen zurück. Unter der glatten Haut ihres Unterbauchs meldete sich der Tumor.
    Das Schlimmste war, dass James nicht angerufen hatte. Wie konnte er ihr das antun? Wusste er denn nicht, wie sehr sie ihn brauchte?
    Vielleicht war es das Beste, wenn sie versuchte zu schlafen. Dann brauchte sie nicht mehr nachzudenken.
    Aber kaum hatte Poppy das Licht ausgemacht und die Augen geschlossen, wurde sie von Phantomen heimgesucht. Diesmal waren es keine Bilder von hübschen kahlen Mädchen, sondern von Skeletten, Särgen - und von ewiger Dunkelheit.
    Wenn ich sterbe, werde ich nicht mehr hier sein, dachte sie. Werde ich überhaupt irgendwo sein? Oder werde ich einfach verschwinden?

    Das war das Furchteinflößendste, worüber sie jemals nachgegrübelt hatte. Nicht mehr zu existieren. Sich einfach in nichts aufzulösen. Aber sie konnte nichts daran ändern. Sie hatte ihre Selbstkontrolle verloren. Die Angst fraß sie auf. Heftige Schauder überliefen ihren Körper. Sie brach in Schweiß aus. Ich werde sterben, ich werde sterben, ich werde …
    »Poppy.«
    Sie riss die Augen auf. Einen Moment lang erkannte sie den Umriss in dem dämmrigen Raum nicht. Ihre Fantasie ging mit ihr durch. Kam der Tod selbst sie schon holen?
    Dann fragte sie: »James?«
    »Ich war nicht sicher, ob du schläfst.«
    Poppy griff nach dem Knopf neben ihrem Bett, um das Licht anzuschalten, aber James sagte: »Nein, lass es aus. Ich musste mich an den Krankenschwestern vorbeischleichen und ich möchte nicht rausgeworfen werden.«
    Poppy schluckte. Ihre Hände zerknüllten die Bettdecke. »Ich bin froh, dass du da bist. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr«, sagte sie tapfer. Aber in Wirklichkeit wollte sie sich ihm nur in die Arme werfen und schluchzen und schreien.
    Sie riss sich zusammen. Das lag nicht nur daran, dass sie sich ihm bisher noch nie an den Hals geworfen hatte, sondern auch daran, dass etwas in seinem Verhalten sie
davon abhielt. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber es machte ihr fast ein wenig Angst.
    War es die Art, wie er dastand? Oder, weil sie sein Gesicht nicht erkennen konnte? Sie wusste nur, dass James ihr plötzlich wie ein Fremder vorkam.
    Er drehte sich um und schloss ganz langsam die schwere Tür. Das Zimmer wurde in Dunkelheit getaucht. Jetzt drang das einzige Licht durch das Fenster. Poppy kam sich seltsam isoliert vom Rest der Welt vor.
    Sie hätte sich geborgen fühlen sollen, so
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