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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten
Autoren: Philip Kerr
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ich das Urteil gegen Euch für gerecht halte. Denn Ihr hättet so viele Menschen ermordet, dass England weithin geschmäht worden wäre, so wie
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    Frankreich nach dem Massaker an den Hugenotten. Und ich bin der festen Meinung, dass solche Gräuel König Louis einen Vorwand geliefert hätten, den eben erst geschlossenen Frieden zu brechen. Doch dass Ihr für die Sünden Eurer Vorgesetzten mitbüßen sollt, erscheint mir ungemein ungerecht. Christus fordert nur, dass wir ihm hinsichtlich seines Lebens nacheifern sollen, nicht aber hinsichtlich der Bedeutung seines Todes.»
    Worauf ich sinngemäß bemerkte, dass die Reichen wohl parfümierte Handschuhe hätten, um ihre blutigen Hände zu verbergen. Was auch auf Ihre Lordschaften in der Regierung gemünzt war.
    «Aber ich bin ebenfalls reich», sagte der Sergeant.
    «Reich?», sagte ich. «Wie das?»
    «Wie sonst würdet Ihr einen Mann nennen, der weiß, wo der Schatz der Templer zu finden ist?»
    «Ihr wisst, wo der Schatz liegt?», fragte ich höchst erregt.
    «Ja, ich weiß es. Und ich werde es Euch sagen, wenn Ihr mich hier herausholt.»
    «Ich glaube, ich kann nicht viel für Euch tun», sagte Newton.
    «Nicht einmal um des Templerschatzes willen. Aber ich werde vor den Lordrichtern um Euer Leben bitten. Ich werde ihnen erklären, dass es mir nicht gerecht erscheint, wenn Ihr bestraft werdet, während andere, welche Euch in dieser Sache Weisung erteilten, unbeschadet davonkommen. Aber ich tue es nicht wegen des Schatzes. Sondern deshalb, weil ich Euch für weniger schuldig als andere halte.»
    «Das ist alles, was ich verlange, Sir. Nun, dann will ich Euch von dem Schatz erzählen, Sir. Denn ich vertraue auf Euer Wort.
    Wenn Ihr sagt, Ihr werdet etwas tun, dann tut Ihr es auch. In diesem Ruf steht Ihr, hier drinnen wie im Tower. Aber ich erzähle es Euch vor allem deshalb, weil Ihr derselben Glaubensrichtung angehört wie ich, weil Ihr nicht an die Trinität glaubt und den Vater für größer haltet als den Sohn. Denn der
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    Beweis dafür, Sir, das ist der Schatz, von dem ich spreche.»
    «Ich gäbe viel dafür, das für mich bewiesen zu sehen», sagte Newton. «Wahres Wissen ist der allergrößte Schatz.»
    Dessen war ich mir alles andere als sicher: War ich nicht glücklicher gewesen, als ich noch weniger gewusst hatte?
    «Aber worin besteht das Geheimnis und wie seid Ihr daran gekommen?», fragte Newton.
    Sergeant Rohan nahm einen Schluck aus der Ginflasche, welche ich ihm aus Barmherzigkeit mitgebracht hatte.
    «Gott segne Euch dafür, mein Junge», sagte er. «Nun, Sir, um eine lange Geschichte abzukürzen, nach der Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 begab sich Graf Hugues de Champagne, der Schirmherr des Zisterzienserordens, dorthin und befahl seinem Vasallen Hugues de Payens, die Arme Ritterschaft Christi zu gründen und zwar auf dem Tempelberg, da dies der Ort war, wo der Tempel Salomos von Herodes wieder aufgebaut und von den Römern wieder zerstört worden war. Es hieß, zuvor hätten die Zisterzienser griechische Gelehrte hinzugezogen, um einige Schriften zu übersetzen, welche sie nach der Einnahme Jerusalems gefunden hätten und in denen die Rede von einem unter dem Tempelberg liegenden Schatz sei.
    Und die Armen Ritter Christi, aus denen dann die Templer wurden, hätten den Auftrag gehabt, nach diesem Schatz zu suchen.
    Es gab und gibt viele Geschichten, worin dieser Schatz bestand.
    Einige besagen, es sei der Schatz König Salomos, der Tribut Sabas. Andere erklärten, es sei der Heilige Gral. In wieder anderen hieß es, die Templer hätten das einbalsamierte Haupt Jesu Christi gefunden. Aber es war nichts von alledem. Es war weder die Bundeslade noch die Lanze, die Christi Seite durchbohrte, noch die Blutslinie Christi.
    Es waren die Schrifttexte selbst, in denen der Schatz bestand, denn dabei handelte es sich um nichts Geringeres als die
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    verschollenen gnostischen Schriften, darunter die Evangelien, welche der Apostel Paulus für ketzerisch befand und welche die frühchristliche Kirche zurückhielt, da diese Bücher bewiesen, dass Christus nur ein Mensch war, dass er nicht von den Toten auferstand und dass die herrschende christliche Lehre eine blasphemische Entstellung der Wahrheit und eine Irrlehre ist.
    Das ist der Grund, weshalb die Templer der Häresie und Blasphemie beschuldigt wurden: weil sie diese verbotenen Bücher des Neuen Testaments besaßen. Und sie aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzten. Das ist das Buch
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