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Zur Sünde verführt: Roman (German Edition)

Zur Sünde verführt: Roman (German Edition)

Titel: Zur Sünde verführt: Roman (German Edition)
Autoren: Sandra Brown
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1
    Der Fahrstuhl befand sich gerade zwischen zwei Etagen, als er plötzlich ruckartig stehen blieb und das Licht ausging. Es hatte keine Vorwarnung gegeben, kein Knirschen der Seile, kein Flackern der Birnen, nichts. Im einen Augenblick hatte sich der Kasten noch lautlos nach unten bewegt, und bereits im nächsten wurden die beiden darin befindlichen Personen in Stockfinsternis und Totenstille eingehüllt.
    »Uh-oh«, meinte der Mann. Er war New Yorker und die Streiche, die die Stadt ihren Bürgern regelmäßig spielte, offenbar gewohnt. »Schon wieder ein Stromausfall.«
    Laney McLeod blieb stumm. Dabei schien der Mann auf eine Reaktion zu warten, denn sie konnte spüren, dass er sich umdrehte und durch die Dunkelheit in ihre Richtung sah. Doch sie konnte weder sprechen noch sich von der Stelle rühren, da sie vor lauter Panik wie gelähmt war. Sie versuchte sich zu sagen, dass allein ihre Klaustrophobie diese Situation so furchtbar machte, dass sie überleben würde und dass ihr Entsetzen lächerlich und kindisch war. Trotzdem nützte es nichts.
    »Sind Sie okay?«, fragte der Mann.
    Oh nein, ich bin ganz sicher nicht okay, hätte sie ihn am liebsten angeschrien, aber ihre Stimmbänder versagten ihren Dienst. Acht sorgfältig gefeilte Nägel gruben sich in zwei verschwitzte Handballen, und plötzlich merkte sie, wie sie die Augen zukniff. Obwohl sie sich zwang, sie wieder zu öffnen, änderte das nichts. Noch immer gab es kein Licht in der erstickenden Enge dieses Lifts.
    Sie atmete krächzend ein und aus.
    »Keine Angst. Es wird bestimmt nicht lange dauern.«
    Seine Ruhe weckte ihren Zorn. Warum brach er nicht ebenfalls in Panik aus? Am liebsten hätte sie den Kerl gefragt, ob er ihr garantieren könnte, dass alles gleich wieder funktionierte. Diese Stromausfälle konnten schließlich Tage dauern, oder etwa nicht?
    »Ich denke, Sie würden sich besser fühlen, wenn Sie etwas sagen würden«, meinte er. »Es geht Ihnen doch wohl gut?«
    Sie spürte, dass eine Hand durch das Dunkel tastete, und einen Moment später stießen fremde Finger gegen ihren Arm.
    Als sie zusammenfuhr, riss er die Hand sofort wieder zurück.
    »Schon gut. Leiden Sie etwa unter Klaustrophobie?«
    Sie nickte verzweifelt mit dem Kopf, in der Hoffnung, er könne diese Bewegung sehen. Doch auch wenn das völlig ausgeschlossen war, hatte er sie offenbar gespürt, denn er meinte in begütigendem Ton: »Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben. Wenn der Strom länger als ein paar Minuten wegbleibt, sucht die
Feuerwehr automatisch nach stecken gebliebenen Leuten wie uns.«
    Sie spürte einen leichten Luftzug und hörte das Rascheln von Stoff. »Ich ziehe erst mal meine Jacke aus und schlage Ihnen vor, das auch zu tun.«
    Als er in den Lift gestiegen war, hatte sie das graue Haar, die schlanke, hochgewachsene Gestalt und die gerade aufgrund von ihrer Lässigkeit sicher sündhaft teure Kleidung nur mit einem kurzen Blick gestreift. Statt dem Fremden ins Gesicht zu sehen, hatte sie schweigend auf die erleuchteten Zahlen über der Fahrstuhltür gestarrt, während der Lift in Richtung Erdgeschoss geglitten war.
    Sie hatte gemerkt, dass er sie nach dem Einsteigen gemustert hatte, doch auch er hatte kein Wort gesagt, denn sie hatten beide ein leichtes Unbehagen dabei empfunden, sich mit einem Fremden einen Fahrstuhl zu teilen. Schließlich hatte er, genau wie sie, den Blick auf die Zahlen über der Tür gelenkt und in Gedanken die Etagen bis nach unten mitgezählt.
    Jetzt hörte sie, wie seine Jacke auf den dicken Teppich fiel.
    »Brauchen Sie vielleicht Hilfe?«, fragte er gezwungen fröhlich, als sie sich noch immer nicht bewegte. Dann folgte er dem lauten Keuchen, das aus ihrer Kehle drang, und streckte beide Hände nach ihr aus. Eilig wich sie vor ihm zurück und stieß krachend gegen die holzverkleidete Wand, aber er berührte ihren vor Schreck starren Körper und tastete sich zögernd einen Weg daran herauf, bis er ihre Schultern fand.
    »He.« Seine Stimme hatte einen seidig weichen Klang. »Es wird alles gut.« Er drückte ihr aufmunternd die Schultern und bewegte sich erneut.
    Laney hätte nicht gedacht, dass sie überhaupt noch sprechen konnte, stieß dann aber heiser aus: »Was tun Sie da?«
    »Ich helfen Ihnen, Ihre Jacke auszuziehen. Je heißer Ihnen wird, umso schlechter bekommen Sie Luft, und umso eher fangen Sie an zu hyperventilieren«, antwortete er. »Ich heiße übrigens Deke.« Die Kostümjacke, die sie erst einen Tag zuvor bei Saks
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