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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten
Autoren: Philip Kerr
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verhaftet. Lucas blieb Lord Lieutenant des Tower und empfing dort 1698 Zar Peter den Großen bei dessen Englandbesuch. Lord Ashley trat 1698 als Parlamentsabgeordneter von Poole zurück und wurde 1699 als Nachfolger seines Vaters der dritte Earl von Shaftesbury. Nach Königin Annes Thronbesteigung im Jahr 1702 zog er sich ganz aus dem öffentlichen Leben zurück. John Fauquier blieb Stellvertretender Münzmeister, während Sir John Houblon sogar Vorsteher der Bank von England wurde.
    König William kehrte nach England zurück und landete am Sonntag, dem vierzehnten November 1697, in Margate. Es regnete nahe zu ununterbrochen, aber das Wetter vermochte die Begeisterung sämtlicher königstreuen Engländer kaum zu dämpfen. In ganz London läuteten die Glocken und es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass im Tower Salut geschossen wurde, was die Decke meines Hauses zum Einsturz brachte.
    Zwei Tage darauf zog der König mit großem Pomp wieder in London ein, wenn auch viele, die damals schon dabei gewesen waren, meinten, die Prozession bei König Charles' Rückkehr sei pompöser gewesen.
    Donnerstag, der zweite Dezember, war der Tag der Dankesfeier für den Frieden und obwohl es auch da feucht war, fand am Abend ein Feuerwerk statt. Am nächsten Tag wurden viele der französischen Hugenotten, welche man als angebliche Jakobiter verhaftet hatte, wegen Hochverrats vor Gericht gestellt. In Verhandlungen, von denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, protestierten sie lautstark, sie seien keine Jakobiter, ja, überhaupt keine Katholiken, aber ihr Anerbieten, dies zu beweisen, indem sie die Kommunion nach der Testakte nähmen, wurde als zynischer und kalkulierter Versuch, die Gerechtigkeit zu sabotieren, zurückgewiesen. Tatsächlich hatte das, was in jenem Dezember geschah, mit Gerechtigkeit herzlich wenig zu tun und die Gerichtsverhandlungen waren vor allem
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    Schauprozesse, da die Schuld der Angeklagten von vornherein als bewiesen galt. Über hundert Männer wurden nach Amerika deportiert, sechs, darunter Vallière und Rohan, zum Tode verurteilt.
    Der fünfte Dezember war seit der Zerstörung der Kathedrale durch das Große Feuer der erste Sonntag, an welchem in St.
    Paul wieder ein Gottesdienst stattfand. Der Wiederaufbau war noch immer nicht abgeschlossen, Sir Christopher Wrens große Kuppel noch nicht errichtet, aber der Chor war fertig gestellt und die neue Orgel ein Genuss für Auge und Ohr. Newton und ich nahmen an dem Gottesdienst teil und Mister Knight predigte über den Judasbrief, Vers 3, darin der Bruder des Jakobus die Christen ermahnt, für den Glauben zu kämpfen, der ein für alle Mal den Heiligen übergeben ist. Mister Knight kehrte diese Worte gegen die sozinianische Lehre, von der es nur ein kleiner Schritt zum Arianismus meines Herrn war.
    Als wir am nächsten Tag nach mehrwöchiger Abwesenheit wieder in die Münze zurückkehrten, erhielt Newton eine Botschaft, welche besagte, Sergeant Rohan, der in Newgate saß, wo wohl bekannt war, dass Newton für Verurteilte, die ihm Informationen lieferten, Begnadigungen zu erwirken vermochte, wolle ihn sehen, um ihm ein großes Geheimnis zu eröffnen.
    «Wie? Noch so ein verdammtes Geheimnis?», sagte ich.
    «Das ist der Tower», sagte Newton, als erkläre das alles.
    Was auch stimmte. Der Tower war mehr als nur ein Gefängnis und ein sicherer Ort, um Münzen zu prägen. Er war auch ein Geisteszustand, eine innere Verfassung, welche auf jeden übergriff, der mit seinen Mauern in Berührung kam. Die Erinnerung daran verfolgt mich noch heute. Und wenn jemand meinen Geist sprechen möchte, muss er dort nach ihm suchen, denn im Tower bin ich gestorben. Nicht mein Körper, zugegeben, aber mein Herz und meine Seele, welche zweifelsohne ermordet wurden, während ich im Tower war.
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    Junge Damen, die sich ein Kind wünschten, pflegten die Waffenkammern des Tower zu besuchen, um dort eine Haarnadel in die mächtige Schamkapsel des Panzerbeinkleids König Heinrichs XIII. zu stechen. Jetzt ist es natürlich zu spät, aber ich frage mich, warum ich nicht daran gedacht habe, eine Nadel in seine Brust zu stechen, um dadurch eine neue Liebe und vielleicht sogar ein neues Leben in Christo zu finden.
    Wir fuhren nach Newgate, um dort festzustellen, dass James Fell, der alte Oberaufseher, inzwischen entlassen worden war.
    Doch ansonsten war alles beim Alten, das Whit noch immer derselbe Ort des Elends, wenn auch Sergeant Rohan nicht so selbstmitleidiger Verfassung
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