Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
war, wie ich erwartet hatte. In der Totengrube, deren Finsternis nur durch eine Kerze zu entrinnen war, empfing er uns ohne Groll und angesichts der Tatsache, dass er offenkundig geschlagen worden war und des schrecklichen Schicksals, welches ihn erwartete, erstaunlich heiter. Da er vor Gericht kein Wort gesagt hatte, begann er jetzt, ein umfassendes Geständnis abzulegen, welches wir anhörten, während unter unseren Füßen die Läuse knackten. Und es war die erstaunlichste Beichte, die ich an diesem grässlichen Ort je gehört hatte.
    «Was ich tat, tat ich, weil ich es für richtig hielt», sagte er. «Das Massaker der Bartholomäusnacht hing über meinem ganzen Leben. Und wir hugenottischen Protestanten haben allesamt bessere Gründe als irgendjemand sonst, die Papisten zu hassen.
    Ich hasse Papisten wie andere Männer den Tripper oder die Pest und ich würde gern meine unsterbliche Seele dafür geben, sie alle tot zu sehen.»
    «George Macey war kein Katholik», sagte Newton. «Und Major Mornay auch nicht.»
    «Der arme Macey», sagte Rohan. «Dass er sterben musste, tut mir Leid. Auf der Suche nach Falschmünzern im Tower stieß er zufällig auf unsere Verschwörung, so wie Ihr vielleicht auch, Sir und es war zu vermuten, dass er uns verraten würde, wenn er
    -364-

    erst erkannte, was wir vorhatten. Als er im Besitz eines unserer chiffrierten Briefe angetroffen wurde, war sein Schicksal besiegelt. Mister Twistleton, der Waffenmeister des Tower, übernahm es, ihn nach Major Mornays Anweisungen zu foltern, damit wir herausfänden, wie viel er tatsächlich wusste, wem er es womöglich erzählt hatte und ob die Chiffre entschlüsselt worden war. Ich glaube, es waren Maceys Schreie, welche Mister Twistleton um den Verstand brachten, denn danach war er nicht mehr derselbe.»
    Ich unterließ es, Newtons diesbezügliche Diagnose, die Syphilis, zu erwähnen, um den Sergeant nicht in seinen Ausführungen zu unterbrechen.
    «Mornay war ohnehin verrückt», fuhr Rohan fort. «Ein skrupelloser Mensch und obwohl wir zusammen auf einer französischen Galeere waren, bedaure ich es nicht sonderlich, dass ich ihn umbringen musste. Er war ein perverser Kerl und mittlerweile höchst unbeherrscht, sodass er letztlich ein Risiko darstellte.»
    Nach dem, was ich im Marschland von Southwark gesehen hatte, konnte ich das nur zu gut nachempfinden.
    «Ihr solltet vielleicht wissen, dass Ihr und dieser Bursche hier ebenfalls auf der Todesliste standet.»
    «Das weiß ich bereits», sagte Newton. «Es ging aus den Briefen hervor, welche wir entschlüsselten.»
    «Und Ihr seid dennoch hergekommen?»
    «Wir tragen Euch nichts nach», sagte Newton. «Oder, Ellis?»
    «Nicht das Geringste, Sir.»
    «Aber wer waren die Männer, die mich umbringen sollten?», fragte Newton.
    «Gedungene Meuchler, Sir. Pack. Ein paar Falschmünzer, die eine Rechnung mit Euch begleichen wollten. Mister Vallière sollte in der Schänke warten, um dann zu sagen, er habe den
    -365-

    alten Roettier und Mister Ambrose aus dem Tower als Eure Mörder erkannt.» Der Sergeant spuckte aus. «Unzählige Male schon wollte ich den alten Roettier umbringen. Seine ganze vermaledeite Sippe ist ein Nest von katholischen Spionen. Der einzige Grund, weshalb er noch lebt, ist, dass wir dachten, er würde unserer Sache mehr nützen, wenn man ihm dies oder jenes in die Schuhe schieben könnte.»
    «Aber wer hätte denn geglaubt, dass so ein alter Mann jemanden umbringt?», fragte ich.
    «In Zeiten wie diesen glauben die Leute, was sie glauben wollen.»
    Newton nickte. «Und was glaubt Ihr, Sergeant?»
    «Wie meint Ihr das?»
    «Ihr seid doch Sozinianer, oder nicht?»
    «Ja, Sir. Aber als solcher bin ich immer noch ein guter Protestant.»
    «Da stimme ich Euch zu. Und da Ihr zum Tode verurteilt seid, will ich Euch verraten, dass ich viele Eurer Überzeugungen teile, da ich selbst arianischen Glaubens bin.»
    «Gott segne Euch dafür, Doktor.»
    «Aber ich glaube, wir haben einen schlechten Zeitpunkt gewählt, um wieder in die Welt zu treten, denn die Welt scheint abweichlerischer Dispute müde.»
    «Das ist wahr, Sir. Sie ist müde und zynisch. Ich hätte mir wahrlich nicht träumen lassen, einmal als verdammter Jakobit und Katholik zum Tode verurteilt zu werden.»
    «Die Lordrichter hätten wohl kaum gewagt, Euch als Protestanten zum Tode zu verurteilen», sagte Newton. «Nicht bei der antikatholischen Stimmung, welche derzeit im Lande herrscht. Und doch muss ich Euch sagen, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher