Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx

Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx

Titel: Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
1. Kapitel
    Warum nur schielte Trix, der einzige und rechtmäßige Schüler des großen Zauberers Radion Sauerampfer, so auf Lob?
    Mit seinen noch nicht einmal fünfzehn Jahren hatte er bereits eine Schandtat bereinigt, der Wahrheit zu ihrem Recht verholfen, das Herz einer Fürstin erobert und sogar ein echtes Wunder vollbracht. Zudem bekleidete er mittlerweile den hohen Rang eines Initiaticus, und den trennte ja nur noch eine Handbreit von einem richtigen Zauberer. Dennoch stand er in seinem Kämmerlein unterm Dach des Magierturms am Fenster und schmollte.
    Oh nein, er bedauerte keinesfalls, nach all den Abenteuern im letzten Jahr das väterliche Herzogtum, in dem er früher oder später den Thron würde besteigen müssen, verlassen zu haben und zu Sauerampfer zurückgekehrt zu sein, um sich bei diesem als Zauberlehrling durchzuschlagen. Die Böden schrubben, Essen kochen und den Abort säubern – all das waren natürlich keine angenehmen Aufgaben, doch die Beschäftigung mit der Magie entschädigte ihn für jede Schinderei.
    Gut, für die letzten knapp zwei Wochen konnte er nur mäßige Erfolge verzeichnen. Bei dem Versuch, den alten Salamander, der das Wasser im Kessel kaum noch zum Kochen brachte, durch einen neuen zu ersetzen, hatte er ein kleines Feuerchen entfacht. Sämtliche Experimente im Bereich der Küchenmagie hatten ihm eine Magenverstimmung eingebracht. Und mit dem simplen Zauber Rollende Steine hatte er keine Berge versetzt, sondern lediglich ein paar Visagen heraufbeschworen, die Grimassen schnitten und ihm die Zunge herausstreckten.
    Sogar seinen Misserfolg bei der Teleportation – eine Technik, die Sauerampfer selbst nicht sonderlich gut beherrschte – hätte Trix verkraftet, wäre die Folge nicht gewesen, dass Sauerampfer ohne ihn zum Magierkapitel, das traditionell zwischen den Feiern zum Neuen Neuen und zum Alten Neuen Jahr stattfand, aufgebrochen war. Mit der höhnischen Bitte, Trix möge den Turm in seiner Abwesenheit nicht dem Erdboden gleichmachen.
    Und so hatte sich Trix sein Leben bei dem Zauberer nun wahrlich nicht vorgestellt! Er gierte nach neuen Abenteuern, nach Geheimnissen, Kämpfen und Intrigen. Er wollte mindestens die Welt retten – und die Fürstin Tiana obendrein! Er dürstete nach einem Sieg über die fiesen Vitamanten!
    Stattdessen musste er alte Zauber, die längst jede Kraft eingebüßt hatten, aus noch älteren Büchern abschreiben! Plus Sauerampfers weitschweifige Kommentare zu diesen Sprüchen.
    Nun würde er nach dem Neuen Neuen in ein paar Stunden auch das Alte Neue Jahr einsam und verlassen begrüßen, denn Sauerampfer mochte Trix noch so schätzen, er würde wegen seines nichtsnutzigen Schülers das Kapitel nicht vorzeitig verlassen. Da konnte dieser Feiertag noch so bedeutsam sein! Da konnte es noch so Tradition sein, ihn zu Hause im Kreise der Familie zu feiern, nicht wie das Neue Neue Jahr auf der Straße mit Freunden und Bekannten.
    Das Alte Neue Jahr beging man übrigens nur im Königreich. Marcel der Überraschende hatte diesen Feiertag eingeführt. Der reformfreudige König hatte sich nämlich nicht damit begnügt, den guten alten vier Himmelsrichtungen zwei weitere hinzuzufügen, nein, er hatte auch drei Buchstaben aus dem Alphabet getilgt, zwei neue Lettern und ein neues Zeichen (ein Komma mit einem Punkt darüber) in das Abc aufgenommen und die alte Gewichtsbezeichnung »Pfund« durch etwas ersetzt, das die wunderliche Bezeichnung »Kilo« trug. Was ein Pfund war, wusste jedes Kind: Genauso viel wog die Eisenkugel, die an einer Kette von der königlichen Zeremonialkeule baumelte. Das geheimnisvolle Kilo sollte nach dem Willen des Monarchen gut doppelt so viel wiegen und damit exakt dem Gewicht von etwas entsprechen, das er einen Liter nannte. Doch noch ehe Marcel der Überraschende entschieden hatte, wie viele Pinten oder Quarten wiederum in besagten Liter gingen, hatte er das Interesse an diesem Vorhaben bereits wieder verloren.
    Wie sich überhaupt nur ein Bruchteil der Reformen des einfallsreichen Königs durchsetzte. Die neuen Buchstaben purzelten nach und nach wieder aus dem Alphabet, während die alten gar nicht daran dachten, in selbiges zurückzukehren. Die Himmelsrichtungen überlebten nur am alten Uhrenturm in der Hauptstadt, in den Läden baten die Leute wie gehabt um ein Pfund (nicht um ein halbes Kilo) Weißbrot oder um zwei Pinten (nicht um einen Liter) Milch. Nur die Kalenderreform Marcels durfte sich eines bescheidenen Erfolgs rühmen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher