Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
Autoren: Meira Pentermann
Vom Netzwerk:
versuchte, sich gegen die Vorstellung zu wehren.
    Wicker rollte die Lippen nach innen, bis nur noch eine dünne, rosafarbene Linie zu sehen war. Natalia und Aiden kamen wieder. Gott sei Dank hatten sie Leonards Bemerkung nicht gehört.
    „Lasst uns reingehen“, unterbrach Chester das trostlose Schweigen. „Wir haben noch etwas Eichhörnchendörrfleisch.“
    Leonard spürte, wie sich eine Welle der Übelkeit durch seinen Magen hocharbeitete. Natalia würgte sichtlich. Die drei Erwachsenen verpassten diesen Anblick, Aiden jedoch musste sich das Lachen verkneifen. Dem Jungen war sicherlich klar, dass es absolut unangebracht war, sich über die Reaktion seiner neuen Freundin auf diese ekelerregende Neuigkeit lustig zu machen. Leonard war kurz davor, ihn zurechtzuweisen.
    Aber aus heiterem Himmel sprudelte Natalia nur so vor Emotionen über und, als ob die Situation für sie ein Ventil öffnete, ließ all ihre Wut hinaus. Sie schubste Aiden, sodass er rückwärts stolperte. Unbeholfen versuchte er, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen. Natalia ging auf den Jungen zu und schrie: „Dörrfleisch von Eichhörnchen? Du hast uns mit Dörrfleisch von Eichhörnchen gefüttert? Das ist so was von krank.“
    Er lachte in sich hinein und hielt die Hände kapitulierend hoch. „Um genau zu sein, Miss Stadtmädchen, zu verhungern, das ist krank.“ Es war immer noch ein Lächeln auf seinem Gesicht zu erkennen, aber die Wucht seiner Worte traf das Ziel. Natalia nickte kapitulierend und Aiden legte einen Arm um ihre Schulter.
    Während er sie zur Hütte begleitete, sagte er: „Wir haben Pfirsiche.“
    „Pfirsiche?“, sagte sie misstrauisch.
    „Ja, Pfirsiche. Sie wachsen auf Bäumen.“
    „Wo die Eichhörnchen leben.“
    „Genau. Und an guten Tagen können wir zwei Mahlzeiten mit nur einer Klappe schlagen.“
    Sie sah ihn skeptisch an. „Ihr jagt mit Klappen?“
    „Nein, du Doofkopp. Wir benutzen Fallen. Du bist so unfassbar leichtgläubig.“
    Sie boxte ihn mehrfach, während er sie die Treppe hinauf und durch die Tür führte. Sie liefen direkt an Leonard vorbei, als ob er gar nicht da wäre.
    ***
    Nachdem Russ und Wicker das Eichhörnchendörrfleisch aufgegessen und mit Chester Geschichten ausgetauscht hatten, zerteilte Aiden die Pfirsiche in Stücke. Sie waren saftig und zart und der perfekte Nachmittagssnack.
    Russ wischte sich die Hände an einer Stoffserviette ab und stand vom Tisch auf. „Ich hol dann mal die Vorräte“, sagte er und verließ die Hütte.
    Was ist mit Alina?
    Leonard wunderte sich, warum seine Begleiter scheinbar keinen Gedanken mehr an das Schicksal seiner Frau verschwendeten. Weil ihr Schicksal besiegelt ist , klagte er. Diese Erkenntnis peinigte sein Gewissen. Jeder Schritt, den er in der freien Welt tat, und jeder Atemzug, den er von der Bergluft nahm, hatte Alina ihre Freiheit gekostet. Das würde er sich niemals vergeben können.
    Ich sollte zurück nach Denver. Mich stellen. Carlyle dazu bringen, seine Verbindungen spielen zu lassen und Alina freizulassen. Die Gedanken summten in seinem Kopf wie ein Schwarm von Heuschrecken beim Anflug. Dann traf sein Blick den Natalias.
    Bitte, Leonard… lass das Ganze nicht umsonst gewesen sein.
    Alina hatte alles aufgegeben. Es war Leonards Pflicht, der letzten Bitte seiner Frau nachzukommen und dafür zu sorgen, dass ihr Opfer nicht umsonst gewesen war – ihre Tochter konnte in Grand Junction ein neues Leben beginnen.
    Ich werde dich nicht enttäuschen, Alina. Das verspreche ich.
    Russ kam mit einem Rucksack zurück. Er legte ihn auf den Tisch und nahm eine Flasche Shampoo, ein halbes Dutzend Batterien, eine Schachtel Munition, vier Rollen Toilettenpapier und zwei sorgfältig eingepackte Pfirsiche heraus. Außerdem zog Russ einige Silbermünzen aus seiner Tasche.
    „Perfekt“, sagte Chester erfreut. „Die Browning zweiundzwanzig ist gereinigt und transportbereit.“
    Leonard starrte auf die Silbermünzen und sein Mut sank. „Benutzt ihr im Landkreis Mesa etwa keine gewöhnlichen Dollars?“
    „Keine Sorge“, sagte Russ. „Woods hier nimmt kein Papiergeld an, aber es ist noch viel im Umlauf.“
    „Wir haben kein Geld, Dad“, flüsterte Natalia panisch.
    „Deine Mutter sollte unsere Ersparnisse in die Schlafsäcke eingenäht haben. Aber da wir weder Karten noch Taschenlampen hatten, sollten wir uns vielleicht besser vergewissern, dass das Geld auch wirklich da ist.“
    Leonard breitete die Schlafsäcke auf dem Boden aus und strich sie behutsam
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher