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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
Autoren: Meira Pentermann
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so Dinge mitzunehmen. All diese Menschen sind so schnell entwurzelt worden. Die meisten haben fast alles zurückgelassen.“ Ihre Stimmung hob sich wieder. „Natürlich haben sich jetzt hier alle eingelebt. Wir haben hier eine ziemlich gute Gemeinschaft.“
    Chester lächelte die junge Frau an. „Sie ist ein gutes Mädchen. Ich habe ihr eine Buchliste gegeben und sie hat alle möglichen Sachen für mich gefunden.“
    Wicker boxte ihm kräftig von hinten in die Schulter. „Ich bin kein Mädchen. Ich kann schneller laufen und besser schießen als du, Mister.“
    „Red keinen Scheiß.“
    „Du weißt, dass das stimmt, Teddybär“, trällerte sie und legte verspielt den Kopf schief.
    Chester sah Wicker spaßeshalber mit einem finsteren Blick an. Dann drehte er plötzlich den Kopf und richtete sich an Leonard. „Sie ist die einzige Person auf dem Planeten, die mich Teddybär nennen darf, verstanden?“
    „Ja, Sir“, erwiderte Leonard. Ich habe kein Verlangen, dich Teddybär zu nennen.
    Nachdem Chester die Tür wieder verschlossen hatte und alle zum Hauptraum zurückgekehrt waren, setzten sich alle an den Tisch. Aiden machte etwas Kaffee und Chester schaltete den Generator ab.
    Während er seinen Gästen Kaffee eingoss, sagte Aiden: „Natalia hatte gestern Geburtstag. Wusstest du das, Vater?“
    Chester schnaubte. „,Wusstest du das?‘ Natürlich wusste ich das nicht.“ Er drehte sich zu Natalia und lächelte. „Alles Gute zum Geburtstag, Schätzchen.“
    Natalia wurde rot.
    „Auf dich!“, sagte Wicker und hob ihre angeschlagene Kaffeetasse. „Wie alt bist du geworden?“
    „Dreizehn.“
    „Dreizehn. Verdammt! Da hast du ja jetzt einen waschechten Teenager, Leo. Was sagt man dazu?“
    Leonard zuckte zusammen. Warum dachten Frauen immer, dass er es mochte, Leo genannt zu werden? Was gab dieser quirligen, kleinen Blondine den Eindruck, dass es okay wäre, einfach so Spitznamen zu vergeben? Andererseits war sein Spitzname tausendmal besser als Teddybär , daher entschied Leonard, es gut sein zu lassen.
    „Ich dachte mir daher“, fuhr Aiden fort, während er seinem Vater Kaffee eingoss, „dass es vielleicht nett wäre, etwas aus dem Süßigkeitenvorrat zu holen.“ Er zog seine Augenbrauen scherzhaft hoch.
    „Ach wirklich, dachtest du das?“, erwiderte Chester. „Und ich hätte vermutet, dass du deiner neuen Freundin gegenüber einfach nur gastfreundlich sein wolltest.“
    „Das bin ich.“ Aiden fasste sich gespielt entrüstet an die Brust. „Was wäre gastfreundlicher als ein gebunkertes Reese’s–Küchlein?“
    Chester verdrehte die Augen, stand auf und fingerte an den Schlüsseln herum. Er zog eine kleine Taschenlampe aus seiner linken Hosentasche. Nachdem ihr Gastgeber in den hinteren Teil der Hütte verschwunden war, fragte Leonard: „Er schließt die Süßigkeiten ein?“
    „In einem Waffenschrank.“ Aiden grinste und setzte sich neben Natalia, so nah, dass ihre Körper sich an den Hüften berührten – etwas zu nah für Leonards Geschmack.
    „In einem Waffenschrank?“ Leonard hustete und fragte sich, wie wohl ein Reese’s–Erdnussbutter–Küchlein mit einem Hauch Schießpulver schmecken würde.
    Aiden nickte und war offensichtlich zufrieden mit sich. „Er muss sich schließlich gegen einen Teenager behaupten.“
    „Wie alt bist du eigentlich, Aiden?“
    „Ich werd nächsten Monat fünfzehn.“
    „Natalia ist dreizehn “, betonte Leonard erneut.
    Aiden warf ihm einen verdutzten und amüsierten Blick zu. „Ich weiß.“ Er hielt kurz inne, als ob er seine Antwort erst sacken lassen wollte. „Wir haben eben darüber geredet, weißt du noch?“
    Sie ist noch minderjährig und in drei Jahren bist du es nicht mehr und machst dich strafbar , dachte Leonard verächtlich, aber er behielt seine Missbilligung für sich. Wir werden ja sehen, wer dann lacht. Im selben Moment, als dieser Gedanke durch seine Synapsen schoss, spürte Leonard, wie ihn ein Schamgefühl überkam. Nachdem er selbst kurz etwas Zeit im Gefängnis verbracht hatte, war ihm nun bewusst, dass es keineswegs lustig war, beiläufig Anspielungen auf Inhaftierungen zu machen. Immerhin ging es hier um einen charmanten, wenn auch etwas altklugen, Teenager, der mehr Schrecken erlebt hatte, als sich Leonard je vorstellen könnte. Aiden hatte so viel Unglück durchlebt und dennoch seine angenehme Persönlichkeit bewahren können. Der junge Mann war tapfer, ein Überlebender. Offensichtlich war er von Natalia ziemlich angetan,
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