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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
Autoren: Meira Pentermann
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Kleinkind zeigte Präsident Stehlen beachtliches Potenzial“ , gab eine fröhliche Stimme bekannt.
    Leonard ließ seinen Kopf in eine Hand fallen. „Seamus, was zum Teufel machst du da?“
    Seamus lachte verschmitzt. „Ich will nur mal sehen, was so in den von der Regierung kontrollierten Medien los ist. Die sind wahnsinnig unterhaltsam, diese Speichellecker.“
    „Noch bevor er zwei Jahre alt war, konnte er schon vollständige Sätze bilden und entzückte damit seine Betreuerinnen. Eines seiner Kindermädchen sagte zu unserem Journalistenteam: ,Jeden Tag überraschte er mich aufs Neue. Solch ein frühreifer Junge!‘“
    „Echt jetzt, Seamus. Ich habe mich an dem Kontrollpunkt in Idaho Springs vorbeigeschummelt, habe einen Abend in einer sargähnlichen Kammer verbracht, bin bis zum Eisenhower–Tunnel marschiert und den ganzen Weg hierher gefahren und das Ganze für das hier?“
    Seamus lachte in sich hinein und fing an zu pfeifen. Je mehr sich Leonard aufregte, desto lustiger wurde es für Seamus.
    „Geboren als Thomas Richardson, wäre der Präsident beinahe bei einem schrecklichen Autounfall gestorben, bei dem seine Mutter ums Leben kam.“

    „Welch Schande.“
    Etwas in Leonard wurde wachgerüttelt und er drehte langsam den Kopf um. Auf dem Bildschirm war das Bild eines geschrotteten Wagens zu sehen und anschließend das Foto eines blonden Mannes mit stilisierter Frisur.
    „ Der Fahrer, der den Unfall verursacht hat—“
    „Dieser verantwortungslose Schwachkopf—“
    „—stand für einen Kommentar nicht zur Verfügung, da er während der ersten Welle der CARS–Säuberung in eine Klinik gebracht wurde.“
    „Moment“, rief Leonard, während er von seinem Stuhl sprang und zu dem Computer eilte. Er setzte sich hin und rüttelte mehrmals an der Maus.
    „Ganz ruhig“, sagte Seamus und kam zu ihm. „Du bist so ein Baby. Ich mach ja schon aus.“
    „Es war beinahe so, als ob der Junge überleben sollte, um sein Schicksal zu erfüllen.“
    „Kann man zurückspulen?“, fragte Leonard und suchte verzweifelt den Pause–Knopf.
    Seamus seufzte. „Ja, du Zappelphilipp. Gib mir eine Sekunde.“ Er pausierte das Video.
    „Spul einfach dreißig Sekunden zurück.“
    „Ich mach ja schon. Ich mach ja schon. Ganz ruhig, okay?“ Seamus drückte auf den Rückspul–Button.
    „Da.“ Das Bild des geschrotteten Wagens flog rückwärts über den Bildschirm. Leonard nahm seinem Kollegen die Maus aus der Hand und wartete gespannt. Seamus widmete sich wieder seiner Arbeit und murmelte etwas in sich hinein. Das Video lief weiter.
    „Geboren als Thomas Richardson, wäre der Präsident beinahe bei einem schrecklichen Autounfall gestorben, bei dem seine Mutter ums Leben kam.“
    Mit den Worten schrecklichen Autounfall erschien auf dem Bildschirm das Wrack des blauen Sedans auf dem Rasen. Das Video zoomte heran auf die geschrottete linke Seite des Wagens.
    „Welch Schande.“
    Leonard betätigte den Rückspul–Knopf.
    „Geboren als Thomas Richardson, wäre der Präsident beinahe bei einem schrecklichen Autounfall gestorben—“
    Mit einem schnellen Mausklick hielt Leonard das Video an. Er betrachtete den eingedrückten Wagen genau; er lag auf dem Dach inmitten eines Grünstreifens. Er erkannte den Ort sofort. Der Wagen befand sich neben der Interstate 225.
    „Thomas Richardson“, flüsterte Leonard und sein Herz raste. „Tommy.“ Das Wort kam wie ein Stein aus seinem Mund gerollt und fiel mit einem dumpfen Aufschlag zu Boden.
    In jenem Moment erkannte Leonard mit erschreckender Klarheit, dass neun Zehntel einer Sekunde tatsächlich einen Unterschied machen konnten. Neun Zehntel einer Sekunde sind genügend Zeit, um eine Abfolge von Ereignissen so minimal zu verändern, dass ein roter Ford Pick–up genug Zeit hatte, um zu bremsen und ein gelber Sportwagen über drei Spuren fahren konnte, sodass bei dem verursachten Unfall statt des Sohnes, die Mutter starb. Leonard verbrachte sein Leben gekettet an neun Zehntel einer Sekunde, die die Macht hatten, den Verlauf der Geschichte zu verändern. Letztendlich war es ihm also doch gelungen. Neun Zehntel einer Sekunde hatten die Welt verändert.

Danksagung
    Ich glaube wirklich, dass uns lebensverändernde Momente innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde widerfahren können, auch wenn wir uns dessen nicht sofort bewusst sind. Eine Bekanntschaft, die man macht, ein Ratschlag, den man bekommt, oder ein Buch, das man liest, können einen Unterschied machen, wer man war
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