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SISSI - Die Vampirjägerin

SISSI - Die Vampirjägerin

Titel: SISSI - Die Vampirjägerin
Autoren: Claudia Kern
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    PROLOG
    Wien, 18. Februar 1853
    Er schwitzte. Der Dolch in seiner Hand, halb verborgen unter dem schweren Wintermantel, fühlte sich fremd an. János Libényi war weder besonders groß noch besonders klein, weder dick noch auffällig dünn. Trotzdem hatte er an diesem Winternachmittag das Gefühl, als starre die ganze Welt ihn an. Er stand auf der Kärtnertor-Bastei am Rande einer breiten Allee und wartete. Befehle hallten von einem der Exerzierplätze zu ihm herüber. Menschen gingen an ihm vorbei, die Hüte tief ins Gesicht gezogen, die Hände in den Taschen vergraben. Der Wind stach wie mit Nadeln in seine Haut und trocknete die Schweißperlen auf seiner Stirn.
    János warf einen Blick in den Himmel. Graue Wolken hingen über den Mauern und Türmen der Festung. Die Sonne war bereits untergegangen. Es würde nicht mehr lange dauern.
    Er schluckte und spielte mit dem Dolch in seiner Hand. Zwischen den Spaziergängern und Boten patrouillierten Soldaten, manche allein, andere in kleinen Gruppen. Seit der gescheiterten Revolution war das überall in der Stadt so. Vielleicht hatte der Orden seinen Plan deshalb nicht gebilligt, ihn stattdessen gebeten, umsichtiger vorzugehen und auf bessere Zeiten zu warten.
    János biss die Zähne zusammen. Die Haare seines buschigen Schnauzbarts kitzelten auf seiner Unterlippe. Bessere Zeiten … Die waren längst vorbei und der Orden hatte sie nicht nutzen können, weder in Österreich noch in Preußen. Die Köpfe der Despoten saßen fester denn je auf ihren Schultern und die, die sich ihnen hätten entgegenstellen können, waren am Strang oder im Kerker geendet. Eine ganze Generation war verloren.
    Bessere Zeiten, dachte János. Bitter wie Galle stiegen die Worte in ihm auf. Sie kommen nicht einfach so. Jemand muss sie erschaffen. Ich muss sie erschaffen.
    Er wusste, dass er seine Tat nicht überleben würde. Den Tod hatte er einkalkuliert. Solange auch der andere starb, war ihm das egal.
    Mit der freien Hand tastete er nach der Flasche in seiner Manteltasche. Das heilige Wasser darin hatte er im Stephansdom abgefüllt, dort, wo so viele Kämpfer von den Truppen der Despoten umgebracht worden waren. Diesen Helden wollte er seine Tat widmen.
    Und dann sah er ihn. Er trug Uniform, so wie immer, wenn er sich in der Öffentlichkeit sehen ließ. Hinter seinem Rücken nannten die Leute ihn den »rothosigen Leutnant«. Er war unbeliebt, auch bei denen, die nicht wussten, was er war. Trotzdem zogen die Männer den Hut und verneigten sich scheinbar andächtig, als er an ihnen vorbeiging, und die Frauen knicksten so tief, dass es aussah, als würden sie in ihren Röcken verschwinden.
    »Euer Majestät.«
    Der Gruß sprang wie eine Flamme von einem Passanten zum nächsten. Der junge Mann in der Leutnantsuniform mit der schräg sitzenden Kappe beachtete die Worte nicht. Er war in eine Unterhaltung mit dem älteren Uniformträger, der neben ihm ging, vertieft. Ein Trupp Soldaten folgte den beiden Männern in einiger Entfernung. János war lang genug Husar gewesen, um zu erkennen, dass sie unaufmerksam und gelangweilt waren.
    Er griff in seine Manteltasche und zog die Weihwasserflasche hervor. Mit den Zähnen entkorkte er sie. Niemand beachtete ihn, als er das Wasser über die Klinge seines Dolches schüttete. Die Menschen um ihn herum starrten den rothosigen Leutnant an, nicht ihn.
    Er stellte die Flasche neben einen Baum. Seine Hände zitterten. Sein Herz schlug so schnell, dass ihm übel wurde. Langsam ging er den beiden Männern entgegen, den Dolch in den Falten seines weiten Mantels verborgen. Er hatte den Mantel selbst geschneidert, das Gesellenstück für eine Prüfung, die er niemals ablegen würde. Die Luft wirkte plötzlich klarer als zuvor. Alles erschien ihm lauter. Der knirschende Kies unter seinen Sohlen, das Schreien der Krähen über seinem Kopf, die Stimmen der Passanten und sein eigener donnernder Herzschlag.
    Dreißig Schritte trennten ihn noch von den beiden Männern, dann zwanzig, zehn, fünf …
    »… können wir uns ein solches Fiasko nicht noch einmal leisten«, hörte er den jüngeren Mann durch das Rauschen des Blutes in seines Ohren sagen.
    Der ältere nickte mit gesenktem Kopf. János war ihm so nah, dass er ihn mit ausgestrecktem Arm hätte berühren können.
    Jetzt!, dachte er.
    Im gleichen Moment hob der ältere den Kopf. Seine Augen weiteten sich, als er János sah, so als habe dieser eine Blick gereicht, um ihn zu durchschauen.
    János wandte sich von ihm ab,
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