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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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Ich habe dich zu dem gemacht, was du bist; du solltest mir ein wenig mehr Respekt entgegenbringen.«
    Ohne zu zögern holte Nhordukael aus und ließ den Silberstab auf den Schädel des Zauberers niederkrachen. Durta Slargin stieß einen grässlichen Schrei aus. Sein Körper fiel in sich zusammen und löste sich auf. Der Schrei verhallte im Rauschen der Quelle. Nichts blieb von seinem Spukbild zurück.
    »Das also verbirgt sich hinter Tathril«, murmelte Nhordukael, »Trugbilder und faule Zaubereien!« Sein Blick verdüsterte sich. »Was du auch sein magst, Durta Slargin: In mir hast du dir einen Feind geschaffen, der keine Angst vor dir hat. Mir wurde jede Angst ausgetrieben.« Grimmig streckte er den silbernen Stab empor und lauschte dem Gesang der Quelle, die ihn voller Inbrunst pries; und Nhordukael wusste, dass sie ihm beistehen würde im Kampf gegen den Zauberer, der sie einst in ihre elende Form gezwungen hatte.
    Kalt, schrecklich kalt war die Wand, steinern und rau. Seine Finger glitten über die schwarzen Steine; die Fingerkuppen tasteten nach den Rillen und Vertiefungen, spürten den krustigen Mörtel, die nasse Krume des Moosbewuchses. Er legte den Kopf an das Gestein, schloss die Augen, spürte die Kälte der Mauer in sein Gesicht kriechen und sein Fieber kühlen. »Ceyla«, flüsterte er, seine Lippen schabten über das Gestein und rissen sich blutig, »Ceyla, Syllana … Ceyla, Syllana.« Wieder und wieder sprach er die beiden Namen aus, hauchte sie in die Ritzen der Wand, spie sie in die Mauern von Thakstel, die entsetzlichen Mauern, die ihn seit Kindestagen gefangen hielten, diese düsteren Mauern, vor denen jeder Lichtstrahl floh.
    ›Wie würde "Euer Vater sich schämen, wenn er Euch jetzt sehen könnte‹,
so hatte Binhipar im Thronsaal zu ihm gesprochen, als Akendor das Mädchen in seinen Armen gehalten hatte,
›gebt das Kind frei‹;
er spürte noch Suenas warmen Körper in seinen Armen, hörte das Geräusch, als der Halswirbel des Kindes geborsten war. »Es hat so wundervoll geknackt«, kicherte Akendor und schlug seinen Kopf gegen den Stein, »was für ein lustiges Geräusch war das! Was für ein Spaß!« Er sah Tundia Suant vor sich auf dem Boden liegen, sah, wie sie sich auf dem Boden krümmte und hilflos mit ansah, wie er das Kind in seinen Armen erdrückte. »Habe dich gewarnt, Tundia«, flüsterte Akendor, und Tränen stiegen ihm in die Augen, »habe euch alle gewarnt … ihr, die ihr mir Ceyla genommen habt und Syllana …«
    Syllana Nejori, dieses Mädchen mit den strahlend blauen Augen und den dunkelbraunen Locken, die so wunderschön um ihre Schultern gefallen waren … wie hatte er sie geliebt! Akendor erinnerte sich daran, welche Angst er gehabt hatte, dass Fürst Binhipar von seiner Liebschaft mit der Tochter des Goldschmieds erfahre könnte. »Syllana«, wisperte er vor sich hin, »kleine, verrückte Syllana«, seine Geliebte, seine Gemahlin, die Mutter seines Sohnes … von wilden Hunden zerrissen! Oh, er entsann sich des Bildes, als er die Lichtung betreten hatte, auf der das Rudel Syllana zu Boden gezerrt, auf der die Hunde ihr die Arme abgerissen hatten. Er entsann sich noch des Blutes und des weißlichen Fleisches, dazwischen die kopflosen Hundeleiber und die Krieger mit blutigen Schwertern und betretenen Gesichtern und daneben Fürst Scorutar, leichenblass, ›Wie furchtbar, Majestät, welch ein Unglück! ‹ - Mörder, dieses Mörderpack!
    »Mörder!«, schrie Akendor gequält auf. »Erst Syllana und nun Ceyla …« Auch Ceyla hatten sie umgebracht, die einzige Frau, die er seit Syllanas Tod wirklich geliebt hatte. Auch sie zerrissen, zerfetzt von Messern, von Klauen, von gierigen Zähnen; er hatte noch das grauenvolle Bild ihres abgetrennten Fußes vor Augen, der im blutigen Schnee gelegen hatte wie ein abgeknickter Zweig, »Ceyla … Syllana … oh, diese feigen Mörder!« Er musste an seinen Vater denken, den großen Kaiser Torsunt. Wie hätte er einen solchen Mord gerächt, wie nur? Akendor wusste aus Erzählungen seines Vaters von dem Verrat des Fürsten Norgon Geneder, der einst versucht hatte, Torsunt zu stürzen und den Thron zu erringen. Mehrere Mitglieder der kaiserlichen Familie waren von Norgon ermordet worden, als er die Macht in Vara ergriffen hatte. Nach dem Sturz des Verräters war Torsunts Strafe erstaunlich milde ausgefallen; allein Norgon Geneder war hingerichtet worden, und das Fürstentum Ganata hatte Torsunt geteilt, um die Familie Geneder zu bestrafen.
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