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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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erreicht. Sein Gesicht war glatt und makellos, doch auf seltsame Weise künstlich. »Du weißt, wer ich bin. Tathril sendet seinen höchsten Propheten zu dir, um dir die Augen zu öffnen.«
    Nhordukael verstärkte den Griff um den silbernen Stab. »Oh, meine Augen sind weit geöffnet. Ich sehe und erkenne dich! Du bist Durta Slargin, der Bezwinger der Quellen, der Gründer der Logen, der erste Priester der Tathrilya.« Seine Stimme bebte, während er sprach. »Ich wusste es! Du warst es, der Magro Fargh im Traum erschien und ihm einflüsterte, dem Tod zu trotzen.«
    Der Fremde nickte. »Ich tat es auf Befehl unseres allmächtigen Gottes - deines Gottes, Nhordukael! Er wollte Magro Fargh auf die Probe stellen - und ebenso dich.« Er wies mit dem knorrigen Holzstab auf den jungen Hohepriester. »Du hast dich als stark und schlau erwiesen, als du Magro Fargh besiegt hast! Tathril ist stolz auf deinen Triumph.«
    Nhordukael stieß ein trockenes Lachen aus. »In meiner Gegenwart kannst du getrost darauf verzichten, dich auf Tathril zu berufen. Ich habe dich durchschaut, Durta Slargin - sofern dies dein wirklicher Name ist.« Er näherte sich der Erscheinung, den silbernen Stab drohend erhoben. »Deine Einflüsterungen brachten Magro Fargh auf den Gedanken, in meinem Körper weiterzuleben! Du warst es, der das Wunder von Thax inszenierte, der mich aus der Bronze rettete.« Er baute sich vor dem Fremden auf. »War es von Anfang an dein Plan, Magro Fargh zu betrügen und mich zum Hohepriester zu erheben? Oder habe ich deine Pläne durchkreuzt, als ich den Greis tötete?«
    Durta Slargins Augen wandelten sich zu schmalen Schlitzen. »Wie sprichst du mit mir? Willst du dich mir in den Weg stellen, Nhordukael - ausgerechnet du, der sich zwanzig Jahre lang von einem schwächlichen Greis unterjochen ließ?«
    Nhordukael hielt dem stechenden Blick der Erscheinung mühelos stand. »Ich weiß nicht, wer du bist und was du bist, doch deine Ziele habe ich durchschaut. Seit Jahrhunderten beherrschst du die Hohepriester der Tathrilya durch deine Einflüsterungen, um so die Kirche zu lenken, die du selbst erschaffen hast.«
    »Ich lenke nicht die Kirche, ich lenke die ganze Welt«, fauchte Durta Slargin. »Tathril ist nichts als ein Name für meine unendliche Macht.« Er stieg aus dem See, sodass er nun kaum einen Schritt von Nhordukael entfernt war. »Ich kann sie mit dir teilen, Nhordukael. Ich brauche deine Hilfe! Die Welt muss geformt werden, so wie es schon einmal geschah. Doch dieses Mal reichen meine Kräfte nicht aus.« Fast klang seine Stimme bittend, und in seine Miene stahl sich ein Anflug von Hilflosigkeit. »Ich habe lange gewartet, bis die Zeit reif war! So viele Jahrhunderte sind verstrichen, bis zwei Kinder geboren wurden, deren magisches Talent dem meinen gleicht. Nur gemeinsam können wir die Aufgabe bewältigen, die sich uns stellt.« Er streckte Nhordukael die rechte Hand entgegen - eine mit goldenen Schuppen besetzte Klaue. Scharf geschliffene Sporne ersetzten die Finger, und ihre Gelenke knirschten leise, als sie sich spannten. »Ich brauche dich, Nhordukael! Komm mit mir, und ich werde dir die Geheimnisse der Magie offenbaren! Ich werde dir zeigen, welche Dimensionen sich jenseits der Sphäre erstrecken. Komm mit mir! Tritt an meine Seite!«
    Nhordukael starrte den Zauberer ungläubig an. »Welche Angst musst du haben, dass du mir dieses Angebot machst. Hast du es auch dem anderen ›Auserkorenen‹ unterbreitet, von dem du sprichst?« Er richtete das Ende seines silbernen Stabes auf Durta Slargin, und dieser wich vor der Macht des Silbers zurück. »Wir sind für dich nichts als Figuren eines Brettspiels. Doch nun sind die Regeln dieses Spiels aufgehoben! Ich gebiete über das Auge der Glut. Hier endet deine Macht.«
    »Du machst einen gewaltigen Fehler«, zischte Durta Slargin. »Willst du dich mir entgegenstellen? Es wäre ein ungleicher Kampf!« Er starrte auf den silbernen Stab, den Nhordukael in der Hand hielt. »Nimm Vernunft an! Lass die Quelle aus ihren Grenzen. Es muss ein weiteres Tor im Süden geben, das die Goldei durchschreiten können.«
    Nhordukael trat näher auf Durta Slargin zu. »Sind auch die Echsen deine Spielfiguren? Belügst und missbrauchst du sie ebenso wie uns Menschen?« Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Offenbar hältst du dich tatsächlich für einen Gott!«
    »Einer muss diese Welt lenken«, schrie Durta Slargin voller Zorn. »Nimm Vernunft an und senke diesen grässlichen Stab!
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