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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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eintreffen.«
    Scorutars Augen funkelten. »Ihr habt Euch verdächtig schnell in Euer Amt eingefunden, Hohepriester. Über- spannt den Bogen nicht! Der Silberne Kreis lässt sich nicht erpressen!«
    »Die Sicherheit des Prinzen hat seinen Preis«, erwiderte Balicor ungerührt, »zumal sein Vater im Kerker sitzt.« »Lügenmärchen!«, knurrte Binhipar. »Der Kaiser ist lediglich erkrankt.«
    »Dann übermittelt ihm meine besten Genesungswünsche«, höhnte Balicor. »Vielleicht möchte er selbst die Entscheidung treffen, ob sein Sohn in Troublinien bleiben oder nach Sithar zurückkehren soll.« Er verneigte sich und zog sich zurück. Die Blicke der Fürsten folgten ihm, und als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, wandte sich Binhipar mit finsterer Miene zu Scorutar um.
    »Diese hinterhältige Ratte«, zischte er. »Wie kann er es wagen, so mit uns zu sprechen?«
    »Er glaubt, uns in der Hand zu haben«, antwortete Scorutar. »Uliman ist zu wichtig für das Reich und für unsere Pläne, als dass wir ihn in den Klauen der Troublinier lassen könnten.«
    Binhipar schritt wütend auf und ab. »Habt Ihr nicht gehört, was er fordert? Einen Sitz im Thronrat! Sollen wir uns in Zukunft von diesem machtgierigen Priester vorschreiben lassen, wie wir den Krieg gegen die Goldei zu führen haben?«
    »Es bleibt uns keine andere Wahl«, erwiderte Scorutar. »Doch vergesst nicht, dass Balicor in den eigenen Reihen verhasst ist. Nhordukaels Position ist stark; so schnell wird Balicor ihn nicht besiegen können.« Er seufzte. »Für den Augenblick müssen wir uns seinen Wünschen beugen. Uliman muss so bald wie möglich in unsere Hände gelangen. Die Frage ist, was unterdessen mit Akendor geschehen soll. Wir können ihn nicht ewig gefangen halten.«
    Ein Geräusch schreckte ihn auf. Er erblickte seine Schwester Tundia; sie hatte unbemerkt den Raum betreten. Tundia Suant trug ein schwarzes Trauergewand, das Gesicht war unter einem Schleier verborgen. Zitternd stand sie im Türrahmen und starrte ihren Bruder an.
    »Er muss sterben.« Ihre Stimme klang heiser. »Ich werde nicht zulassen, dass ihr ihn aus dem Kerker lasst! Der Mörder meines Kindes muss sterben!«
    Scorutar schritt auf sie zu. Er versuchte den Arm um ihre Schultern zu legen, doch Tundia schlug die Hand zurück.
    »Er muss sterben«, wiederholte sie ruhig. »Ihr habt zugesehen, wie er Suena ermordete. Ihr habt zugesehen und nichts dagegen unternommen!«
    Bedauern spiegelte sich in Scorutars Gesicht wider. »Wir können Akendor Thayrin nicht einfach umbringen, liebste Schwester! Noch ist er der Kaiser von Sithar. Ich verstehe deinen Hass, aber …«
    »Nichts verstehst du!«, zischte Tundia. Sie schlug den Schleier zurück. Ihr Gesicht sah entsetzlich aus, aufgequollen und totenbleich, die wulstigen Lippen blutig gebissen. »Er hat ihr das Genick gebrochen! Ihr wart dabei! Ihr habt es geschehen lassen!« Sie hob zitternd die Hand und wies auf ihren Bruder. »Sieh mich an, Scorutar, sieh mir in die Augen und sage mir, wer den Befehl gab, Akendors Geliebte zu töten! Wer war es, der Ceyla Illiandrin ermordete?«
    »Damit habe ich nichts zu tun«, beteuerte Scorutar. »Wir wollten sie aus dem Weg haben, sie einschüchtern und aus Thax verjagen - doch von einem Mord war niemals die Rede.«
    »Erspar mir deine Lügen«, fauchte Tundia. »Ihr seid verantwortlich, dass Akendor meine Tochter ermordete! Und nun wollt ihr ihn freilassen?«
    Fürst Binhipar schüttelte den Kopf. »Akendor wird niemals mehr auf dem Thron sitzen, dafür werde ich sorgen.« »Ich will, dass er stirbt«, schrie Tundia. »Ich werde ihn selbst töten, wenn ihr zu feige seid. Gebt mit ein Messer; mehr brauche ich nicht. Ich will in seine Augen sehen, wenn er den letzten Atemzug tut!«
    »Rede keinen Unsinn«, herrschte Scorutar sie an. »Akendors Tod könnte zum Zerfall des gesamten Reiches führen. Die Familie Thayrin hat nur einen einzigen Erben: Prinz Uliman, und dieser ist in der Hand der Troublinier oder vielleicht gar nicht mehr am Leben. Wenn die Kaiserfamilie ausstirbt, müssen die Fürsten einen neuen Kaiser wählen. In der jetzigen Lage ließe sich keine Einigung im Silbernen Kreis erzielen. Es wäre das Ende Sithars!«
    Tundia ließ die Hand sinken. »Es ist mir gleich, was mit Sithar geschieht! Akendor muss sterben!« Scorutar wandte sich zu Binhipar um, und ein bitteres Lächeln umspielte seinen Mund. »Fest steht, dass wir den Forderungen des Hohepriesters nachkommen sollten«, sagte er.
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