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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Erstes Buch
    MAXIMILIAN VON BAYERN
    NACHDEM DIE Böhmen besiegt waren, war niemand darüber so froh wie der Kaiser. Noch niemals hatte er mit rascheren Zähnen hinter den Fasanen gesessen, waren seine fältchenumrahmten Äuglein so lüstern zwischen Kredenz und Teller, Teller Kredenz gewandert. Wäre es möglich gewesen neben dem schweren kopfhängerischen Büffel zu seiner Linken, dem grauen Fürsten von Carafa, Hieronymus, und dem stolz schluckenden und gurgelnden Botschafter Seiner Heiligkeit im heißen Rom – rot schimmernd die seidene knopfgeschlossene Soutane, purpurn unter dem Tisch die Beine mit Strümpfen und Schuhen, bei den schneeweißen zappelnden der deutschen Majestät –, so hätte Ferdinand jeden den Vorhang durchlaufenden Kammerknaben, jeden Aufträger Vorschneider, erhaben mit schwarzem Stab anschreitenden Oberstkämmerer mit üppigem »Halloh« empfangen, ihm zugezwinkert: »Heran! Näher! Nicht gezögert, Herrchen, haha. Hier sitzt er.« Kaute, knabberte, biß, riß, mahlte, malmte. Der Oberküchenmeister bewegte sich an den gelbseidenen Tapeten entlang, beäugte freudig listig durch das seitliche Gestänge des Baldachins die muskulösen Lippen Ferdinands, die wie Piraten die anfahrenden Orlogs enterten, die Backentaschen, die sich rechts und links wulsteten, sich ihre Beute zuwarfen, sich schlauchartig entleerten, von der quetschenden Zunge sekundiert.
    Weich rauschte die Harfe, die deutsche Querpfeife näselte. Sprung an, Sprung ab: es hieß hurtig sein, die Becher heranschleppen; wer ißt, liebt keine Pausen; was schluckt, muß spülen. Ferdinands Lippen wollten naß sein, sein Schlund naß, sie verdienten’s reichlich, droschen ihr Korn.
    Im Reich – wovon ließ sich sprechen –, im Reich ging’s gut daher. Die Böhmen geschlagen, Ludmilla und Wenzel, die heiligen, hatten die Hand von ihren tollen Verehrern gezogen: da saßen sie auf dem Sand, haha, samt Huß, allen Brüderschaften, ihrer Waldhexe Libussa, dem Pfalzgrafen Friedrich. Der Pfalzgraf – wovon ließ sich sprechen –, der Pfalzgraf schleppte seine Königskleider im Sack, am Strick hinter sich her, im Frühjahrsdreck hinter sich her, schreiend durch die Gassen, ungeübter Bänkelsänger auf Märkten, auf Dörfern: »Keiner da, der mir was zu fressen gibt? Zehn Kinder und kein Ende, keiner da, der uns den Bauch stopft? Habe die englische Königstochter zur Frau, in Böhmen war ich König; das ›war‹ freut mich armen Hansen wenig.« Wer wird sprechen in solchen Zeiten.
    Man läßt ihn trollen, das freche süße Zweibein, man wird ihn tüchtig lausen, daß ihm das Fell blank wird. Aber Malvasier. Aber Alicante. Aber Böhmerwein von Podskal. Aber grüne Bisamberger, Traminer aus Tirol; aber Bacharach und Braubach, die feuchten, spitzschuhigen, klingelnden vom Rhein. Auf dem gepreßten Schweinskopf Äpfel: aber Molsheimer darüber und Andlauer; Elsaß, das herrliche Elsaß.
    Wem hat es der Ingwer angetan, der Ingwer an der Rehkeule, daß er ihn verachten will. Die Hühner sind erschlagen; auf Silberschüsseln gebahrt; von feinen weißen Kerzen beleuchtet. Die Blicke von zwanzig Gewaltherren und Fürsten voll Lobs auf sie gerichtet; in Mandelmilch schaukeln sie Rümpfe, Beinchen und Hälse, Rosinen zum Haschen um sie gebreitet, ihre kandierten Schnäbelchen füllend. Spitzt die Münder, salbt die Lippen mit Speichel, im Strome fließendem, aus allen Bronnen geeimertem.
    Heran Pfälzer Most. Die feuerspeiende Büchse, treffliches Symbol für ein Weingefäß: da läßt sich leicht der Malefizer finden, der hier ersterben will. Und soll es der Erwählte Römische Kaiser sein, es muß geschossen sein, in der Minute, im Nu, aus der großen Büchse, die der Obermundschenk sich auf die Schulter lädt; der Kaiser richtet zielt und schießt, jach in den Schlund des tobenden Narren, des hingewälzten lachenden Kobolds in der braunen Schellenkapuze, während der Herr sich die weißen Spitzenärmel schüttelt, in den Stuhl sinkt, nach der Serviette ruft und vor Inbrunst vergeht: »Noch einmal!«
    Trompeter schmetterten zu sechs vom Chor herunter, aus dem goldenen Käfig des Balkons, der Heerpauker schlug bum. Zwischen der Musik saß der Kaiser hinter dem Wildschweinsbraten in Pfeffer, einen weißen Hut mit der Reiherfeder auf dem leicht glatzigen Kopf, seine Ohren durch das Raspeln seiner Zähne nicht gehindert, dem Schmettern zu folgen. Sansoni, Zinkenmusikus, übte sein hohes Werk; verborgene Diskantisten und Kastraten pfiffen rollten
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