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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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»Prinz Uliman wird dringend in Thax gebraucht.«
    Nhordukael packte den steinernen Kopf des Thiurons. Voller Spott starrte er in die leeren Augenhöhlen des Stummen Wächters, durch die das rote Licht der Glut fiel. »Erkennst du mich wieder?«, spie er der Statue mit unverhohlenem Triumph ins Gesicht. »Siehst du, wer ich bin?«
    Ein körperloses Stöhnen hallte durch die Gänge unter dem Brennenden Berg.
DAS BLEICHE KIND HAT MICH BETROGEN,
eine dumpfe Stimme, in der sich Angst und Wut mischten, KENNT KEINE DEMUT …
KEINE DEMUT …
    Nhordukael ließ die Hände herabsinken. Der weiße Stoff seines hohepriesterlichen Gewandes knisterte, als er einen Schritt von dem Stummen Wächter zurücktrat. »Du wirst dabei sein, Magro Fargh. Du wirst erleben, wie ich deine Kirche zertrümmere und deinen Gott als Trugbild enttarne. Und du wirst nichts dagegen tun können; denn nun herrsche ich über Arnos! Das Auge der Glut ist in meiner Gewalt!«
    Das Raunen wich einem verzweifelten Wimmern. Der Thiuron bäumte sich auf, hielt sich die klobigen Hände vor sein Gesicht, als ob Nhordukaels Nähe ihm Schmerzen bereitete.
WIE KANNST DU ES WAGEN, IHM ZU TROTZEN … TATHRIL, DEINEM HERRN … SEI VERNÜNFTIG … KEHRE UM…
    Nhordukael wandte sich ab. »Ich kann nicht umkehren. Du selbst hast mir den Weg bereitet, den ich nun gehen muss.« Er griff nach dem silbernen, mit religiösen Symbolen versehenen Stab, der zu seinen Füßen lag. Langsam schritt er zum Vulkansee hinüber. Ruhig und gleichmäßig floss dort das geschmolzene Gestein, die Oberfläche des Sees war eben und glatt. Die Quelle von Arnos schlummerte, war ganz in sich versunken. Sie hatte sich Nhordukael erstaunlich rasch unterworfen. Alplaudo Carxives, der Kurator von Vara, sah darin einen Beweis für die Rechtmäßigkeit von Nhordukaels Amtserhebung. Für ihn stand fest, dass Nhordukael der Auserkorene war. Carxives war nach der Vertreibung der Weißstirne aus Thax in die alte Kaiserstadt Vara zurückgekehrt, um weitere Priester und Kuratoren gegen Bars Balicor aufzustacheln. Es galt als sicher, dass die Spaltung der Kirche bald eskalieren würde; auch im Silbermeer wurde bereits von Weißstirnen berichtet, die sich gegen Bars Balicors Anhänger zur Wehr setzten. Und im palidonischen Hochland hatte Drun, der Anführer der Weißstirne, neue Gefolgsleute um sich versammelt, die sich für den Kampf gegen Bars Balicor rüsteten.
    Mit beiden Händen umschloss Nhordukael den silbernen Stab. Er spürte die Macht des Silbers in seine Finger übergehen. Behutsam bog er den Sphärenstrom, der ihn umflutete. Seine dunkelgrauen Augen waren auf den Vulkansee gerichtet. »Zeige dich mir, Tathril«, flüsterte er, »zeige dich, wenn du es wagst!« Das Auge der Glut erwachte. Schläfrig wandte es sich Nhordukael zu und fügte sich seiner Macht. Wirbel bildeten sich auf der Oberfläche des Sees; die Lava begann schneller zu fließen. Ein Rauschen schwoll an; schmerzhaft dröhnte es in Nhordukaels Ohren. In der Mitte des Vulkansees warf sich eine Fontäne aus Glut auf und zerfiel in zähe Tropfen. Mit dumpfem Glucksen sanken sie in den See zurück; und dort, wo sie niedergingen, erhob sich nun eine Gestalt aus dem See. Inmitten der Lava waren die glutumwobenen Konturen eines Menschen zu erkennen: ein Kopf, Arme und Beine, ein schmaler Leib. Er richtete sich auf, sodass er nur noch bis zu den Knien im See stand. Die rotglühende Lava perlte wie Wasser von seiner Haut. Bald waren seine Gesichtszüge zu erkennen, die Gesichtszüge eines dunkelhäutigen Mannes mit schwarzem Lockenhaar. Er trug eine goldene Rüstung, auf deren Brustplatte seltsam verschlungene Zeichen eingeätzt waren. In den Händen hielt er einen gewundenen Stock, mit dem er auf Nhordukael deutete.
    »Der Auserkorene«, sagte er mit heller Stimme. »Nhordukael, der neue Diener Tathrils, der Hohepriester Sithars, der Gebieter über die Quelle des Brennenden Berges! Sei mir gegrüßt.«
    Nhordukael schwieg. Fassungslos starrte er den Fremden an, der durch die Glut auf ihn zuwatete. Seine Augen waren alt und schrecklich, und sein Mund, den ein gekrauster schwarzer Bart umgab, hatte einen grausamen Zug. »Tathril wacht schon seit langem über dich«, sagte der Fremde. »Er hat schützend die Hände über dich gehalten, seit er dich zu seinem Diener auserkoren hat.«
    »So, hat er das?«, fragte Nhordukael spöttisch. »Und wer bist du, der mir diese frohe Botschaft überbringt?« Der Fremde hatte den Rand des Vulkansees
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