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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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ich, wo?
Ein Rascheln an seinem Fußende schreckte ihn auf. Er bemerkte ein handspannengroßes Wesen, das sich neben seinen Füßen auf dem Karren lümmelte - ein pelziges, hässliches Tier, das ihn aus giftgrünen Augen anstarrte. Es nagte an einem blank polierten Apfel; der Saft rann an seinen haarigen Fingern herab. Misstrauisch musterte es Laghanos; und als dieser erschrocken die Beine anzog, stieß es ein schrilles Kichern aus. Schließlich spuckte es ein Fruchtstück auf Laghanos, das seinen Kopf nur knapp verfehlte.
    Zornig wandte sich der Haubenträger zu dem Wesen um. »Werde nicht frech, du Lump! Auf diesem Karren liegt der Auserwählte, der Sehende, der Wandelbare! Untersteh dich, ihn zu belästigen. Er braucht Ruhe und Schlaf.« Er beugte sich zu Laghanos herüber. »Beachte ihn nicht! Er ist eifersüchtig, dass wir dich mitgenommen haben. Er war so stolz, dich gemeinsam mit den Angehörigen seiner Sippe aus dem Wasser gezogen zu haben.« Laghanos starrte die Kreatur an. »Ein Bosnickel«, flüsterte er. »Ich habe diese Wesen schon einmal gesehen, als ich mit Malcoran zur Quelle von Oors Caundis ging.«
    »Die Quelle von Oors Caundis?« Der Mann schüttelte den Kopf. »Vergiss sie, vergiss sie ganz schnell, mein Junge. Hier unten besitzt sie keine Macht. Du bist nun in den tiefsten Höhlen unter dem Rochen, nahe der Unterwelt, unweit des Tores zur ewigen Glut. Seit vielen Jahrhunderten wartet man hier auf deine Ankunft, die uns der Weltenschmied verkündete. Dies sind die Kammern, die für dich errichtet wurden, die Kammern, in denen du geformt werden sollst, so wie die Prophezeiung es vorsieht.«
    Laghanos starrte ihn an. »Ich weiß nichts von einer Prophezeiung. Ich weiß nichts von …« Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Ein erneuter Hustenanfall packte ihn.
    »Oh, du brauchst nichts zu wissen«, flüsterte der Haubenträger. »Es ist alles vorbereitet für den Weltengang. Ruhe dich aus, mein Junge! Das Heilige Spektakel kann warten.« Gemeinsam mit dem Kahlköpfigen stimmte er erneut ein Lied an; ein fremdartiger Gesang, der durch den kristallenen Gang hallte. Er mischte sich mit dem Krachen und Knirschen des Holzkarrens, der über den Boden polterte.
    Verzweifelt schaute Laghanos zur funkelnden Decke empor.
Wieder bringt man mich an einen unbekannten Ort; wieder bin ich unbekannten Mächten ausgeliefert. Was habe ich getan, dass ich dieses Schicksal erleiden muss? Wer steckt dahinter? Wer ist es, der mich nicht in Frieden lassen will?
    Doch auch wenn Laghanos es sich nicht eingestehen wollte - er kannte die Antwort längst. Er ahnte, wer ihn verfolgte und sich seiner bediente. Und er wusste, dass er ihm bald gegenübertreten musste, so wie es der Rotgeschuppte gesagt hatte.
    ›Drafur … ich werde ihn dir zeigen; wirst ihn sehen, und nichts wird sein wie zuvor. ‹
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