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0333 - Einer blieb übrig

0333 - Einer blieb übrig

Titel: 0333 - Einer blieb übrig
Autoren: Einer blieb übrig
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Es war nicht die erste Nacht, die Nick Kossak auf einem Friedhof verbrachte. Aber diesmal fühlte er, wie das Grauen in ihm emporstieg, als er über den breiten, von Gräbern gesäumten Kiesweg schlurfte.
    Nick Kossak schob die rechte Hand in die Manteltasche und tastete nach der Zehn-Dollar-Note. Als plötzlich die Wolkendecke über New York aufbrach, und der Friedhof in silbernes Mondlicht getaucht wurde, blieb Kossak stehen. Er zog den Schein aus der Tasche, betrachtete ihn und steckte ihn dann mit einem gemurmelten Fluch wieder weg.
    Langsam ging Kossak weiter. Er fröstelte. Er blickte über die Schulter zurück, er musterte die Büsche zwischen den Gräbern, zog die Schultern hoch und schien sich in seinen Mantel zu verkriechen. Der Wind flüsterte in den Zweigen, und bizarre Schatten zeichneten sich am Rande des Kiesweges ab.
    Als Nick Kossak die Leiche fand, war er vor Entsetzen wie gelähmt. Sein schwammiges Gesicht wurde fahl, seine Kinnlade begann zu zittern, und der Blick seiner weit auf gerissenen Augen war auf das Mädchen gerichtet.
    Es lag quer über einem Grab. Die Augen waren starr, das schmale, bleiche Gesicht schimmerte feucht vom Tau der Nacht: Aus der Schulter des Mädchens ragte der Griff eines Dolches.
    ***
    Ausgerechnet in dieser Nacht des 8. Oktobers hatte ich Dienst. Bis 12 Uhr war nichts gewesen. Kurz nach Mitternacht rasselte das Telefon.
    Ich meldete mich.
    Zuerst verstand ich überhaupt nichts Der Mann am anderen Ende der Leitung war so aufgeregt, dass seine Stimme sich überschlug.
    »Verwalter Spencer, St.-Raymonds-Friedhof. Sie müssen kommen, sofort. Es ist grauenhaft, es ist furchtbar. Auf meinem Friedhof liegt eine Tote«, stöhnte er
    »Ja, und? Dazu ist der Friedhof doch da, Mr. Spencer«, meinte ich.
    »Sie verstehen mich nicht. Jemand wurde ermordet, und zwar genau auf dem Familiengrab des Senators Blackpoint. Mein Nachtwächter, der die Leiche fand, ist jetzt noch vor Schreck halb von Sinnen.«
    Jetzt wusste ich Bescheid. »Wir kommen sofort.«
    Trotz Rotlicht und Sirene dauerte es zwanzig Minuten, bis mein Kollege Walker und ich am Friedhof anlangten. Am Portal, das einladend geöffnet war, stand ein kleiner Mann mit schneeweißem Haar und einer großen Hornbrille. Unter seinem Trenchcoat kamen grüne Schlafanzugbeine zum Vorschein.
    »Sind Sie Mr. Spencer?«, fragte ich.
    »Ja. Ein Glück, dass Sie kommen.«
    »Wo ist die Leiche?«
    »Dort.« Er zeigte mit einer vagen Handbewegung dahin, wo die Grabsteine und Monumente weiß im Mondlicht lagen.
    »Können wir hinfahren?«
    »Ja. Ich zeige Ihnen die Stelle.«
    »Dann steigen Sie ein.«
    Ich deutete auf den Notsitz meines Jaguar. Langsam rollten wir den breiten Weg hinunter. Abgesehen vom Mond gab es hier keine Beleuchtung. Zum Überfluss fing ein Käuzchen an zu schreien, aber das passte genau in die Szenerie.
    »Fahren Sie rechts ran. Da drüben bei dem hohen Grabstein ist es«, sagte Spencer.
    Ich stoppte und sah mich um. Wir gingen ein paar Schritte über einen schmalen Weg zwischen den Gräbern und standen unvermittelt vor der Toten.
    Das Mädchen lag lang ausgestreckt genau in der Mitte eines Beetes dunkelroter Astern. Man hätte glauben können, es schläft. Aber da war der Dolch.
    Ich sah mich um, doch nicht die geringste Spur eines Kampfes war zu erkennen. Ich ließ alles, wie es war und alarmierte über Sprechfunk die Mordkommission Bronx.
    Zehn Minuten später war der ganze Verein zur Stelle. Der Einzige, den wir kannten, war Detective-Lieutenant Huber. Er begrüßte uns, winkte dem Fotografen, und als dessen Blitzlichter verpufft waren, machte sich der Arzt an die Untersuchung.
    Er war ein hoch aufgeschossener, hagerer Mann mit spitzer Nase und verkniffenen Lippen. Er hockte sich nieder und betrachtete die Leiche, ohne sie vorläufig zu berühren.
    Auch ich betrachtete das blondlockige, junge Mädchen, dessen blaue Augen blicklos zum Sternenhimmel starrten.
    Es war eine Tote, wie ich sie leider schon oft gesehen hatte. Eigenartig war der Ort, an dem der Mord verübt worden war, und merkwürdig war es, dass die Ermordete trotz des kühlen Wetters keinen Mantel, sondern nur ein verhältnismäßig dünnes, buntes Kleid trug. Ich konnte mir nicht denken, dass das Mädel - es war bestimmt nicht älter als zwanzig Jahre - in einer kalten Oktobernacht in diesem Aufzug auf den Friedhof gegangen sei, um sich dort niederstechen zu lassen.
    »Verzeihen Sie, G-man.« Ich fuhr herum und sah Mr. Spencer neben mir stehen. »Ich
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