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Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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um. Vor der Tür der Kapelle spielten im Gras zwei Kinder, aber von der »kleinen Erzherzogin« war nirgends eine Spur zu sehen.
    »Falls Sie mich suchen, Nachtigall, hier bin ich!«, hörte er endlich ihre Stimme. Sie saß mit übergeschlagenen Beinen auf einer Bank im Schatten und beobachtete lächelnd die zwei Kleinen.
    »Ahh, da sind Sie ja, Frau Anna. Ein Anruf für Sie …«, stotterte der Butler.
    Anna bemerkte erst jetzt sein bleiches Gesicht und ein mulmiges Gefühl überkam sie. »Wer ist es?«, fragte sie Nachtigall.
    »Das Sozialtherapeutische Zentrum in Ybbs …«, antwortete er und hielt ihr das Telefon hin.
    »Ist etwas mit meinem …« Sie verstummte abrupt. »Ach, geben Sie her!«, meinte sie dann ungeduldig und nahm dem Butler den Apparat aus der Hand.
    Nachtigall beobachtete aufmerksam ihr Gesicht, während sie telefonierte. Sie nannte ihren Namen und dann sagte sie nichts mehr, hörte nur zu und nickte mehrmals. Die Farbe wich nach und nach vollends aus ihrem Gesicht. Schließlich hielt sie sich den Mund zu und presste die Augen zusammen.
    Bei ihrem Anblick schnürte es Nachtigall die Kehle zu. Dicke Tränen quollen aus ihren geschlossenen Lidern, dann ließ sie das Mobilteil für einige Sekunden in ihren Schoß sinken, bevor sie es wortlos dem Butler zurückgab. Der Bedienstete wollte etwas zu ihr sagen, aber die »kleine Erzherzogin« hob nur ihre Hand und stand auf.
    Mit zitternden Händen glättete sie den Stoff ihres Gewandes, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, streckte ihren Rücken durch und ging dann erhobenen Hauptes auf die zwei Kleinen im Gras zu. Sie schien beinahe über den Rasen zu schweben, in ihrem weiten, weißen Sommerkleid, immer weiter, bis zur Kapelle. So zart, so zerbrechlich, aber zugleich majestätisch erhaben, dachte sich Nachtigall.
    Anna zwang sich zu einem Lächeln und beugte sich zu den beiden Kindern. Die zwei Buben hörten auf zu spielen und sahen ihre Mutter mit großen, aufmerksamen Augen an. Sie streichelte sanft über ihre Köpfe und versuchte mehrmals vergebens, die passenden Worte zu finden. Endlich schien sie mit ihrer Formulierung zufrieden und flüsterte den Kindern zu: »Es tut mir leid, meine kleinen Prinzen. Euer Onkel Manfred wird nicht mehr zu uns auf Besuch kommen. Er ist heute gestorben, genauso wie sein Freund Max.«
    Sie blickte ihre Kinder liebevoll an.
    »Unsere ganze Hoffnung ruht nun auf euch.«
     
    Paul Wagner schickte nach dem überraschenden Ende der Pressekonferenz und dem Gespräch mit dem Bundespräsidenten einen ausführlichen Bericht an Elena von UMG. Sie war es auch, die ihm als Erste vom Tod des Medienmoguls auf seinem Schiff in der Marina von Fisher Island vor Miami berichtete. Wineberg hatte vor seinem Ableben eine große Summe für die Berichterstattung aus Österreich genehmigt und Paul musste nicht auf das doppelte Honorar pochen. Er stellte den Pizza Expresss wieder in seine Remise und machte sich auf den Weg nach Berlin, um Rosi und ihre Familie zu besuchen – natürlich per Motorrad. Der Reporter ist fasziniert von Rosis Netzwerk, aber das ist nicht der einzige Grund, warum er länger in Berlin bleibt …
    Georg Sina kehrte mit dem Stock Jauerlings und der Kassette mit dem Archiv des Schwarzen Bureaus aus Maria Laach zurück auf Burg Grub und nahm sich vor, die nächsten Wochen sein Refugium nicht mehr zu verlassen. Lange geplante Vorlesungen und Seminare am Historischen Institut der Universität Wien sowie vermehrte Besuche seiner Studenten, die tagelang lautstark vor seiner Burg campierten, machten diese Pläne schnell zunichte. Da Paul für einige Wochen unauffindbar war, machte er es sich mit Tschak in der Remise Wagners bequem und genoss die Ruhe in Breitensee und plante eine Gedenkveranstaltung für seinen alten Lehrer Professor Kirschner. Er ist noch immer davon überzeugt, dass es zu viele unentdeckte Gasgranatenlager in der Bundeshauptstadt gibt. Das Vermächtnis des Balthasar Jauerling hingegen ruht gut versteckt auf Burg Grub.
    Bernhard Berner holte Gerald Ruzicka aus dem Spital ab und nahm ihn auf einen ausgedehnten Erholungsurlaub nach Griechenland mit. Vor dem Turm der Winde in Athen schilderte er dem langjährigen Freund und Kollegen seine Erlebnisse in der Gruft vor dem Palais Metternich und verriet ihm die Geheimnisse des Stockes des Balthasar Jauerling. Die beiden pensionierten Kommissare bereisten danach die griechischen Inseln und kamen bei einer Flasche Retsina am Strand von Sifnos überein,
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