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Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Stöckelschuhen kämpfte. Sie stolperte, strauchelte, aber gewann gerade noch ihr Gleichgewicht wieder.
    »Die trägt ansonsten wohl eher flache Schuhe, so wie sie läuft …«, wunderte sich der Schutzmann halblaut und schüttelte mitleidig den Kopf. Er musste aber unweigerlich kichern, erinnerte ihn die Gestalt doch zunehmend an Daisy Duck.
    Die Kleine kommt daher wie eine Ente, dachte sich auch der Fahrer des Sattelschleppers mit dem riesigen Bagger auf der Ladefläche und lachte in sich hinein.
    Ein Uniformierter am Straßenrand winkte ihm einen freundlichen Gruß zu.
    »Ja, ja. Dein Freund und Helfer, zumindest ab und zu …«, murmelte der Mann und grüßte halbherzig zurück. In seinem Innersten freute er sich aber, dass die Fahrbahnen exklusiv für ihn frei gehalten wurden. Er drehte das Radio lauter, als der Sprecher gerade über die »Verkehrsbehinderung durch eine Reihe von Schwertransporten in der Wiener Innenstadt« berichtete.
    Ich bin im Verkehrsfunk, grinste er in sich hinein. Auch ein kleiner Werktätiger kann es ins Radio schaffen, wenn er sich nur genug anstrengt und sein Bagger groß genug ist. Mit sich und der Welt im Reinen zündete er sich eine Zigarette an und lauschte den Schlagzeilen. Die Hauptmeldung in den Nachrichten waren an diesem Morgen die europäischen Politiker, die in Wien ihre Köpfe zusammensteckten, um einen Weg aus der Krise zu finden, die von den internationalen Großbanken verursacht worden war.
    »Aber auch eure Karossen müssen warten, wenn ich, Martin Kurecka, hier fahre!«, kommentierte er halblaut, als er fast im Schritttempo an den gesperrten Kreuzungen mit den Reihen der wartenden schwarzen Limousinen vorbeifuhr. Zufrieden blies er den Rauch seiner Zigarette aus dem offenen Seitenfenster. Kurecka schaute zwischen den Stämmen der Bäume des Grünstreifens durch, zu der kleinen, drallen blonden Frau hinüber, die jetzt fast genau neben ihm herlief. Dann stutzte er, schaute nochmals hin und traute seinen Augen nicht.
    Wilma Palm hatte ein solches Geräusch noch nie gehört. Es war eine Mischung aus lautem Rascheln und Knirschen, gefolgt von Knacken wie brechendes, ja zerfaserndes Holz. Sie hielt an, blieb regungslos stehen und fuhr dann wie elektrisiert herum. Hinter ihr erblickte sie jedoch nur einen Polizisten in unmittelbarer Nähe des Grünstreifens, der mit weit aufgerissenen Augen vor sich auf den Boden starrte.
    Martin Kurecka hatte sofort eine Vollbremsung eingeleitet. Der Schwertransport mit dem riesigen Bagger kam nur mühsam zum Stehen, dumpf klopfte die Hydraulik und die Reifen quietschten. Er schaltete den Motor ab, zog die Handbremse fest und sprang aus dem Führerhaus. Mit wenigen Schritten war er neben dem Polizisten und der kleinen blonden Frau im grauen Kostüm, die wie erstarrt dastanden und ihn gar nicht zu bemerken schienen. Alle drei konnten ihren Blick nicht von dem fünf Meter tiefen und eineinhalb Meter breiten Loch zu ihren Füßen abwenden, in dem einer der Alleebäume der Ringstraße, eine ganze Jungpappel, gerade bis zum Wipfel verschwunden war.
    Nussdorf ob der Traisen/Österreich
    D ie drei Männer hatten Zeit. Es lag in ihrer Tradition, in ihrem Denken und in ihrer Art, dem Tod zu begegnen. Manchmal dauerte es kürzer, bis die hagere Gestalt im langen schwarzen Mantel kam, manchmal eben länger. Aber er kam immer, nichts konnte ihn aufhalten. Das war Gesetz seit Anbeginn der Welt und es würde sich nie ändern. So standen sie geduldig im Schwarz des Hausschattens, nebeneinander in der Dunkelheit vereint, an die raue, von der Sommerhitze noch warme Wand gelehnt und lauschten in die Nacht. Samtig strich der Wind durch die Weingärten vom Donautal herauf und brachte die Blätter in den Obstbäumen ganz leise zum Rascheln. Es war eine rabenschwarze, mondlose Nacht, eine zum Verlieben und zum Sterben, zwei Wochen vor dem nächsten Vollmond, dem Herbstmond.
    Einer der Männer im schwarzen Kampfanzug beugte sich vor, drehte sich zur Seite und blickte aufmerksam durch das offene, gelblich erleuchtete Fenster des alten, gedrungenen Bauernhauses, während der zweite mit vor der Brust verschränkten Armen zu dösen schien. Der dritte Mann wiederum schaute hinauf zu den Sternen, die wie Myriaden von galaktischen Glühwürmchen in der Sommernacht flimmerten.
    Durch die geblümten, bunt bestickten Vorhänge, die sich im leichten Windzug bauschten, konnte man zwei Männer in ein Gespräch vertieft erkennen. Sie saßen sich an den Stirnseiten eines groben
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