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Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Ihr weisen Friedenshelden!
    (Ich bin ein treuer Untertan,
Lied aus der Märzrevolution 1848/49)

Nachwort
    A m Anfang standen eine Melange, ein Verlängerter und zu viele Zigaretten …
    Nach guter, alter Wiener Tradition erblickte das Konzept von »Narr« in einem Kaffeehaus nahe der Kärntnerstraße in der Inneren Stadt das Licht der Welt. Am Ende eines Drehtages in der Kapuzinergruft für den Trailer zu unserem ersten Thriller »Ewig« gingen Gerd Schilddorfer und ich, wie man das in Wien immer so macht, einen Kaffee trinken. Aber trotzdem war es bei diesem Besuch im Kaffeehaus nicht wie sonst. Wir hatten in der kaiserlichen Begräbnisstätte etwas gesehen, das uns keine Ruhe ließ … Den kleinen Sarg von Erzherzog Leopold Johann, dem einzigen männlichen Thronfolger des römisch-deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740).
    Leopold Johann war ein Wendepunkt der Geschichte, auch wenn er heute vergessen ist. Er war der letzte Sohn und Stammhalter der Familie Habsburg, gestorben in seinem ersten und einzigen Lebensjahr 1716. Sein früher Tod löste eine Reihe politischer und wirtschaftlicher Umwälzungen aus, die für die kommenden Jahrhunderte die Machtverhältnisse in Europa maßgeblich verändert haben. Nicht nur der Thron des Heiligen Römischen Reiches, sondern auch das spanische Kontinental- und Kolonialreich blieben nach dem Ableben seines Vaters Karl VI. ohne männlichen Erben, wie man es in Wien und Madrid gefürchtet hatte.
    Grausame, weltweit zu Land und zu Wasser geführte Kriege der damaligen Supermächte waren die Folge. Außereuropäische und europäische Völker brachten sich im Schatten wehender Flaggen untereinander um, Grenzen wurden auf mehreren Kontinenten verschoben, Dynastien wechselten und Bayern wurde kurzfristig von österreichischen Truppen besetzt. Auch das souveräne Polen verschwand in der Folge bis zum Ende des Ersten Weltkrieges von den Landkarten, was 1939 wiederum den Zweiten Weltkrieg ausbrechen ließ. Ohne diese Weltenschlacht im 18. Jahrhundert gäbe es keinen »Lederstrumpf«, keinen »Letzten Mohikaner«, kein britisches Kanada und dadurch auch keine Vereinigten Staaten von Amerika. Ohne »Kartoffelkrieg« gäbe es keine Erdäpfel in unseren Küchen und Winston Churchill hätte es ohne seine direkte Abstammung vom Herzog von Marlborough nie bis zum britischen Premierminister und zu einem Bezwinger des Dritten Reiches gebracht.
    Das alles hatte also der Tod eines einzelnen, unschuldigen Säuglings in Wien ausgelöst, weil er der einzige legitime Erbe einer über Millionen herrschenden Dynastie gewesen war – ohne Widerspruch, unhinterfragt, in strikter Erbfolge und von Gottes Gnaden.
    Die Begegnung mit diesem toten Buben und seiner bewegenden Geschichte hat einen tiefen Eindruck bei uns hinterlassen und inspirierte uns zu einer gewagten Erzählung. Gerd holte einen DINA4-Umschlag aus seiner Tasche und wir skizzierten in drei Stunden die – rein fiktive – Handlung des Buches, erdachten die Schattenlinie und ließen unserer Phantasie freien Lauf …
    Als wir schließlich im Spätsommer des letzten Jahres mit der Arbeit an »Narr« begannen, hätten wir es uns nie zu träumen gewagt, wie schnell uns die Realität einholen würde.
    Die ursprüngliche Version des Buches, wie wir sie in groben Zügen an jenem Sommertag auf dem Umschlag festhielten, erfuhr in der Folge natürlich viele Änderungen und Erweiterungen. Sie blieb aber als Kern die Leitlinie unserer Arbeit in den nächsten Monaten. Die zunächst groben Kettfäden aus Ereignissen, Konflikten und Wendepunkten für unsere beiden Protagonisten und ihre Freunde verwoben wir mit zahlreichen historischen Fakten, einigen Urban Legends und einer Prise Humor zu einem hoffentlich dichten und unterhaltsamen Stoff sowie zu einem weitaus politischeren Buch, als es »Ewig« gewesen ist.
    Wir schrieben gerade an den letzten Kapiteln von »Narr«, als eine Diskussion aufbrandete, die wir keineswegs erwartet hatten, die dem Buch aber zusätzlichen Zündstoff verliehen hat. Im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2010 in Österreich wurden immer öfter Stimmen laut, die eine Abschaffung der sogenannten »Habsburgergesetze« in der Bundesverfassung forderten. Bis in den Nationalrat und den Obersten Gerichtshof wurde lautstark und sehr emotional über das passive Wahlrecht der Familie Habsburg-Lothringen debattiert.
    Ein Detail dieses Zwistes kam zutage, als ein populärer linker Politiker sich vehement gegen einen »Habsburger«
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