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Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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vertraut mit der griechischen Mythologie, um sofort zu erkennen, welche Figuren die Kinder Maria Theresias auf der Opernbühne verkörperten. Seit dem Besuch auf dem Heldenberg war auch der eigentliche Hintergrund, warum Joseph II. ausgerechnet diese Szenen hier aufhängen hatte lassen, für ihn kein Geheimnis mehr.
    »So fügt sich eins ins andere …«, murmelte er und wandte sich Wolfgang Ebner und dem Polizeipräsidenten zu, die etwas abseits in ein leises Gespräch vertieft waren. Paul war aufgefallen, dass Dr. Sina während des Wortwechsels immer wieder heftig gestikulierte. Er schien aufgeregt, aber offensichtlich bemüht, seine Lautstärke unter Kontrolle zu halten. Schließlich drehte er sich noch einmal mit einem vielsagenden Blick zu seinem Sohn, überlegte kurz und verschwand dann mit schnellen Schritten aus dem Büro, ohne sich ein weiteres Mal umzuwenden.
    Georg hob den Kopf und schaute seinem Vater nach, hinter dem die hohe Flügeltür ins Schloss fiel. Dann setzte er sich auf und warf Paul einen fragenden Blick zu, erntete aber nur ein Achselzucken.
    »Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie dankbar ich Ihnen bin, auch im Namen der Republik und ihrer Bevölkerung«, sagte Ebner freundlich. Er lächelte Georg und Paul an und entließ den Sanitäter mit einer kleinen Handbewegung.
    Nachdem der Rettungsmann die Türe von außen geschlossen hatte, stützte sich das Staatsoberhaupt mit den Fingerspitzen auf die Arbeitsplatte seines Schreibtisches. Der Bundespräsident schaute zuerst Sina und dann Wagner tief in die Augen.
    Georg war sich nicht sicher, aber dieses angespannte Schweigen unter sechs Augen konnte nur bedeuten, dass ihnen der Bundespräsident etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Und aus der Reaktion seines Vaters schloss er, dass es nicht unbedingt erfreulich sein würde.
    »Ich erwäge …«, hob Ebner ernst zu sprechen an, »… Ihnen beiden für Ihre Leistungen das Goldene Verdienstkreuz der Republik zu verleihen!«
    Der Gedanke, vom Staatspräsidenten persönlich einen Orden an die Brust geheftet zu bekommen, erfüllte Georg mit gemischten Gefühlen. Einerseits war er stolz, andererseits sah er sich im nächsten Augenblick als dekorierte Karikatur neben peinlichen Promis und pensionierten Operettensängern am sogenannten »Red Carpet« des Wiener Opernballs paradieren.
    Bei dem Gedanken musste Sina grinsen und sah, dass es Paul nicht besser ging. Aber das konnte es kaum gewesen sein, was seinen Vater beinahe die Contenance verlieren hatte lassen.
    »Danke, das ist sehr freundlich«, erwiderte Wagner. »Es ist uns eine Ehre. Aber bei allem Respekt …« Der Reporter machte eine kurze Gedankenpause. »Ich denke, dass ich auch im Sinne meines Freundes spreche … unser Anteil an der Entschärfung der Senfgasbomben ist vergleichsweise gering gewesen …«
    Paul verstummte und sah Georg kurz an. Der Wissenschaftler verstand sofort, worauf sein Freund hinauswollte, und nickte zustimmend.
    »Wie meinen Sie das?«, wunderte sich der Bundespräsident.
    »Ohne Eduard Bogner und sein Team hätten wir das nie in dieser kurzen Zeit geschafft …«, begann der Reporter zu erklären. »Mehr noch, wir hätten es gar nicht geschafft. Zudem hat dieser Mann mehr für die Wiedereingliederung Straffälliger in die Gesellschaft geleistet als jedes staatliche Resozialisierungsprogramm …«
    »Ich bin mit Paul Wagner ganz einer Meinung, Herr Präsident«, bestätigte Sina. »Wenn jemand diese Auszeichnung verdient hat, dann ist es Eduard Bogner.«
    »Ich verstehe …«, lächelte Ebner. »Eduard Bogner heißt der Mann? Der Name kommt mir bekannt vor. Ist das nicht der ehemalige, mehrfache Champion vom Heumarkt?«
    »Derselbe!«, lachte Georg, und die Vision eines hochdekorierten Professor Georg Sina inmitten von Kammersängern und Baumeisterliebchen am roten Teppich des Opernballs zerfloss wieder vor seinem geistigen Auge. Schade, dachte er sich, und andererseits schon richtig so. Mutter wäre vor Stolz geplatzt und ich vor Schande gestorben …
    »Gut, wenn Sie es so wünschen, dann soll es so sein. Wer bin ich, dass ich ausgerechnet Ihnen diese Bitte abschlage …?«, bemerkte der Bundespräsident und machte sich eine entsprechende Notiz. »Aber der Herr möchte so nett sein und den Orden nicht öfter als unbedingt notwendig in der Öffentlichkeit tragen …«, ergänzte Ebner noch.
    »Ich denke, zu dieser Sorge besteht keine Veranlassung …«, gab Wagner zurück und konnte sich eine Erwiderung nicht
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