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Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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der letzte evangelische Landeshauptmann nach fast hundert Jahren … Später ist er wieder aus ganz pragmatischen Gründen zum katholischen Glauben konvertiert.«
    Wagner las weiter: »Unter dem Patronat der Grafen von Kuefstein erfährt die Kirche als Begräbnisstätte dieses Geschlechtes eine neuerliche Blüte. 1680 war das dritte große Pestjahr dieses Jahrhunderts; das ganze südliche Waldviertel machte das Gelöbnis, alle Jahre nach Maria Laach zu pilgern.« Er schaute Georg an. »Ich darf dich daran erinnern, dass unser geheimnisvolles Kreuz in Nussdorf ursprünglich auch ein Pestkreuz war.«
    Aber Sina hörte ihm gar nicht zu, war tief versunken in Betrachtung des vollbärtigen, energischen Mannes in Rüstung, dessen Blick über seine gefalteten Hände hinweg auf das Altarbild mit der Madonna gerichtet war. Plötzlich packte er aufgeregt Pauls Arm. »Ich glaube, du hast ins Schwarze getroffen. Im Wappen der Kuefsteiner ist ein gekrönter Mohr, der in seiner Hand ein Schwert führt. Ihr Stammschloss, Greillenstein, ist nicht weit von mir weg. Dort stehen eine Menge Mohren mit Schwertern als Figurenschmuck. Wäre es tatsächlich möglich …?«
    »›
Es wird bewacht vom Schwert eines Mohren‹,
heißt es in dem Brief von Metternich an seinen Freund Balthasar«, erinnerte Wagner. »Bedeutet, das Archiv ist unter oder hinter dem Schwert, wenn wir den Kanzler ernst nehmen wollen.«
    »Wir können kein Kunstdenkmal demolieren, nur auf den Verdacht hin, dass hier vor hundertfünfzig Jahren vielleicht Papiere versteckt wurden. Ich könnte der Familie Kuefstein nie mehr ohne schlechtes Gewissen unter die Augen treten. Dazu treffe ich sie einfach zu oft …« Georg schüttelte den Kopf. »Wenn ich das dritte Mal bei ihrem Anblick die Straßenseite wechsle, wird’s verhaltensauffällig …«, gab er zu bedenken und schaute sich verstohlen um. Sie waren alleine in der Wallfahrtskirche, aber das konnte sich jeden Moment ändern.
    »Zu solchen aufwendigen Aktionen hatte Metternich auch keine Zeit«, warf Paul ein, »der kam sicher ohne Begleitung hierher, schon der Geheimhaltung wegen. Er konnte es gar nicht riskieren, einen Mitwisser zu haben. Das Versteck musste leicht zugänglich und trotzdem sicher sein.«
    Tschak war inzwischen auf Entdeckungsreise durch die Kirche gegangen und hatte einen Schuh angeschleift, der ganz offenbar von einem der Messdiener hinter dem Altar deponiert worden war.
    »Tschak, bitte bring das zurück, der wird noch gebraucht«, lachte Wagner, beugte sich hinunter und versuchte, dem kleinen Hund den Schuh wegzunehmen. Aber Tschak ließ seine Trophäe nicht los, verbiss sich darin, zog und zerrte, während er fröhlich und ausgelassen quietschte.
    »Etwas mehr Andacht, wenn ich bitten darf«, brummte Georg abwesend und runzelte die Stirn.
    Plötzlich ließ Paul den Schuh los, kniete sich nieder und wischte mit seiner Hand über eine Steinplatte des Bodens.
    »Na, so ernst brauchst du das jetzt auch nicht zu nehmen«, lachte Sina beim Anblick des Reporters.
    »Georg, schau einmal hierher, erinnert dich das Zeichen nicht an die Gruft unter dem Rennweg?«, kam die aufgeregte Stimme seines Freundes vom Boden der Kirche und Georg blickte genauer hin. Auf der Steinplatte, vor der Wagner kniete, war eine Spinne eingeritzt, nicht tief, aber doch deutlich erkennbar. Sie sah den Zeichen in der Gruft Jauerlings zum Verwechseln ähnlich.
    Keine drei Minuten später hoben die beiden Freunde die Steinplatte hoch und legten sie vorsichtig beiseite. Ein Hohlraum kam zum Vorschein, groß genug für eine Schatulle aus schwarzem Ebenholz mit den intarsierten Monogrammen »C.M.« und darunter »B.J.«
    »Das Archiv des Schwarzen Bureaus oder das Vermächtnis des Balthasar Jauerling«, sagte Wagner andächtig und wog die schwere Kassette in seinen Händen. »Die langen Schatten einer unglaublichen Karriere.«
    Sina runzelte die Stirn und starrte ungläubig auf die Schatulle. »Nicht gerade besonders umfangreich, das Archiv«, meinte er enttäuscht. »Ein ganzes Leben im Dienste des Kaisers und dann so eine Kassette als Vermächtnis? Ich gestehe, ich habe mir mindestens zwei oder drei Regale mit Akten erwartet …«
    »Guter Punkt …«, bestätigte Wagner. »Klein der Mann, klein sein Archiv? Vielleicht auch nur die wichtigsten Dokumente seiner Amtszeit.«
    »Schauen wir hinein, vielleicht ist es nur ein Lageplan, wo der Rest zu finden ist«, brummte Sina unzufrieden und nahm Paul die Schatulle aus der Hand.
    »Ich
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