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Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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weiß nicht, aber wir haben unser Glück schon über Gebühr strapaziert. Schön langsam wäre es an der Zeit, zu verschwinden, findest du nicht?«, erkundigte sich Wagner und schob mit dem Fuß die Steinplatte wieder über die leere Öffnung, drehte sie und ließ sie mit einem satten Geräusch an ihren Platz zurückfallen.
    Der Wissenschafter betrachtete mit einem bewundernden Blick die kunstvoll intarsierten Initialen Metternichs und Jauerlings. »Die Schatulle ist nach all den Jahren im Kirchenboden nicht mehr in einem wirklich guten Zustand, aber das ist kein Wunder«, meinte er dann und drehte die schwere Kassette in seinen Händen. Es war eher eine kleine Kiste, rund dreißig Zentimeter hoch. Er hielt sie schräg und versuchte, das Schloss näher zu betrachten. Dabei geschah es. Eine Ecke des morschen Holzes gab nach, die Scharniere brachen und der Deckel sprang ab. Eine Lawine aus Papier ergoss sich auf den Boden der Kirche, Dokumente verschiedenster Art flatterten wie Laub auf die alten Steinfliesen und segelten unter Kirchenbänke.
    »Gratuliere, Herr Professor. Das hast du fein hingekriegt …«, kommentierte Wagner trocken. »Und wie erklären wir die Papierflut am Boden, wenn jetzt jemand reinkommt?«
    Sina besah sich ärgerlich die Bescherung und begann dann mit nervösen Fingern die losen Blätter einzusammeln. »Das wird Wochen dauern, das alles wieder zu ordnen …«
    »Mach dir nichts draus, vielleicht gab es gar keine Ordnung«, beruhigte ihn Paul, dann bückte er sich und half Georg. Es waren Hunderte handgeschriebene Blätter, viele mit kleinen Skizzen oder Stammbäumen versehen, manche sogar mit farbig ausgemalten Zeichnungen.
    »Was zum Teufel ist das?«, stieß Sina plötzlich hervor und hielt Paul ein Blatt entgegen. »Sieh dir das an, so etwas habe ich noch nie gesehen …«, flüsterte er.
    Wagner betrachtete das Umschlagblatt mit dem geheimnisvollen Symbol. Es war ein Kreuz aus drei geschmiedeten Nägeln. Ein roter und ein schwarzer zeigten aufeinander und bildeten so den horizontalen Balken, ein aufrecht stehender weißer den vertikalen. Die Spitze des weißen Nagels durchbohrte ein Pentagramm zu Füßen des Kreuzes.
    »Wenn ich es mir recht überlege, sieht es auf den ersten Blick aus wie ein Coventry-Kreuz …«, murmelte Sina. »Aber das hier ist viel älter …«
    »Und das Pentagramm …«, Wagner tippte mit dem Finger auf den unteren Teil der Illustration, »… das ist doch ein satanistisches Symbol, nicht wahr?«
    »Nicht nur, aber oft genug …«, gab Georg zu. Doch dann schüttelte er den Kopf. Er hatte keine Ahnung, was er von der Zeichnung halten sollte.
    »Il Diavolo in Torino«, las Paul vor.
    »Was?« Georg schreckte aus seinen Gedanken hoch.
    »Das steht da ganz unten, schau!« Er zeigte mit dem Finger auf die leicht verblassten Buchstaben. »Das muss die Überschrift der Akte sein. Vielleicht ein verbotenes Theaterstück oder ein zensurierter Roman?«
    Paul nahm Georg die dünne Mappe aus der Hand und stapelte sie mit den anderen Blättern zurück in die zerbrochene, schwarze Schatulle. »So, Herr Professor, gehen wir! Wir haben nach hundertfünfzig Jahren Metternichs Geheimnis gefunden, was wollen wir mehr?«
    Er pfiff nach Tschak und marschierte aus der Kirche, die Kassette unter den Arm geklemmt. Georg warf dem betenden Kuefstein einen letzten Blick zu. Dann bückte er sich nochmals und strich mit den Fingern über die Spinne auf der Steinplatte.
    »Vielleicht hatte Max recht«, murmelte Sina, erhob sich und folgte Paul langsam. »Das Tier schlummert nur, aber die Bestie ist immer bereit, sich ihre Opfer zu holen.«

Epilog III
    B leiben Sie bitte kurz dran, ich bringe ihr das Telefon …«, keuchte Nachtigall, sprang aus seinem Sessel und lief mit trippelnden Schritten, das Mobilteil in der ausgestreckten Hand vor sich her haltend, aus dem staubigen Büro.
    »Der kann ja sogar laufen«, wunderte sich der Verwalter, der am Schreibtisch gegenüber arbeitete und verblüfft den Kopf hob. Die Landarbeiter, die bei Kaffee und Frühstück um den Tisch der heruntergekommenen Küche nebenan saßen, schauten dem Butler ungläubig hinterher.
    Nachtigall durchquerte die kümmerlichen Reste von Joseph Gottfried Pargfrieders Badezimmer, strauchelte kurz und stolperte dann die Treppe hinunter. Im Hof angekommen, überlegte er hektisch und wandte sich dann nach links, lief in den zweiten begrünten Innenhof des renovierten und bewohnten Teiles von Schloss Wetzdorf. Er sah sich suchend
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