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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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Vebjørn war unangreifbar. Andere Geschäftsführer bei
Spenning & Co kamen und gingen. Der Reeder Georg Spenning liebte es, Leute
in aller Öffentlichkeit zu brüskieren, mit Vorliebe bei
Direktionskonferenzen. Dann fasste er einen der jungen und aufstrebenden
Männer starr ins Auge und übertrug ihm die eine oder andere Aufgabe.
Selbstverständlich handelte es sich dabei um eine Angelegenheit, mit der
längst jemand anderer betraut war. Bei einem anderen Chef hätte der
Übergangene vielleicht das Wort ergriffen und den Reeder auf diesen Missstand
aufmerksam gemacht. Aber jeder wusste, dass Georg Spenning genau darauf
wartete: auf einen Vorwand, den Betreffenden noch weiter zu demütigen – und
ihn dann beispielsweise vor den Augen aller zu feuern. Deshalb hielt man lieber
still. War man schlau, sah man sich schleunigst nach einem neuen Job um. Wer
sich in die Degradierung fügte, versank rasch immer tiefer im Morast. Die
öffentlichen Erniedrigungen des Reeders waren ein Signal an die Horde. Wie ein
räudiger Hund in den Slums von Kalkutta würde dieser Mann von allen
geschunden und getreten werden. Vebjørn aber blieb von solchen
Spiegelfechtereien verschont. Er lehnte sich zurück, Daumen und Zeigefinger
nachdenklich ans Kinn gelegt, während Georg seine Vorstellung absolvierte.
    Vebjørn ging auf die Vierzig zu. Er maß hundertachtzig
Zentimeter bis zum Scheitel. Am liebsten trug er anthrazitfarbene Anzüge und
weiße Hemden, legte das Jackett aber häufig ab. Saß er in seinem Büro,
hatte er die Hemdsärmel für gewöhnlich hochgekrempelt und den
Krawattenknoten leicht gelockert. Sein schwarzes Haar lag zurückgekämmt, und
unter seiner hohen Stirn blickten zwei tiefliegende braune Augen hervor. Er
hatte einen breiten Mund, den er gerne zu einem schiefen Lächeln verzog, wobei
eine abgebrochene Ecke an einem der Schneidezähne auffiel. Der Schaden war in
seiner Kindheit entstanden. Die kleine Kerbe verlieh seinem Lächeln etwas
sympathisch Jungenhaftes.
    Reeder Georg Spenning strahlte Würde aus. Er war zwanzig
Jahre älter als Vebjørn. Sein graues Haar war einst knallrot gewesen. Die
Haut in seinem Gesicht war spröde und sommersprossig, von der Art, die in
starker Sonne rasch verbrennt und sich pellt. Der Reeder bezeichnete sich gern
als
tough guy
oder
bulldog
. Er war erklärter Liberaler und
pflegte lautstark zu verkünden, dass er alles toleriere, absolut alles außer
Sozialisten und Mentholzigaretten. Kam es hart auf hart, konnte man miterleben,
dass er so gut wie gar nichts tolerierte. Er hasste Konkurrenten, Politiker,
Anwälte, Journalisten und – vor allem – Bürokraten, die ihm mit Gesetzen
und Regeln kamen, wenn er einfach Verträge abschließen wollte. Am meisten
hasste er immer die, an denen er gerade etwas auszusetzen hatte.
    Georg Spennings Lieblingsmelodie war Frank Sinatras Version
von
Leroy Brown
. Hatte der Reeder einen guten Deal abgeschlossen,
dröhnte Sinatras Stimme aus den Lautsprecherboxen in seinem Büro und durch
die Bürowände. Georg Spenning stand mitten im Raum, einen Hut schräg auf dem
Kopf, tanzte zur Musik, schnippte mit den Fingern und sang den Refrain mit:
Baddest man in the whole damned town/ badder than old King Kong/ and meaner
than a junkyard dog!
War er schlechter Laune, saß er hinter seinem
Schreibtisch wie ein verbitterter Kampfhund und wartete förmlich darauf,
jemandem den Kopf abzubeißen. In solchen Momenten ging man in der Reederei
Spenning & Co auf Zehenspitzen. Georg Spenning betrachtete sich selbst als
einen erfolgreichen Gangster, und – dachte Vebjørn jedes Mal wieder – er
war in vielerlei Hinsicht tatsächlich ein Gangster.
    Das klassische, aber in der Öffentlichkeit selten sichtbare
Bild des glücklichen Reeders kam zum Vorschein, wenn er sich auf seinem
gepolsterten Ledersessel zurücklehnte und sich zu Sinatras letzter Strophe
eine kubanische Corona in den Mundwinkel steckte. Und wenn
Ol’ Blue
Eyes
sich wie ein echter Wildhund aufführte und bellte und knurrte,
bellte Georg Spenning mit. Danach grinste er, die Zigarre zwischen den Zähnen.
»Vebjørn«, sagte er manchmal, »weißt du noch, wie ich Nasser eine
Weihnachtskarte geschickt habe?«
    Diese Geschichte war ein Dauerbrenner, und sie wurde wieder
und wieder erzählt. Sie stammte aus der Zeit des Sechstagekriegs 1967. Der
Tankermarkt war damals explodiert, und Georg Spenning hatte Verträge im Wert
von Hunderten von Millionen
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