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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin
Autoren: Frederik Berger
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Prolog
    »Kennen Sie wirklich schon alle Geheimnisse dieses Grabmals?« fragte uns verschwörerisch der in korrektem Schwarz gekleidete Führer durch die Engelsburg zu Rom. Fürst del Drago, der mich bereits auf die Spuren der Papstgeliebten Silvia Ruffini gebracht und mich zu dieser Privatführung eingeladen hatte, lächelte wissend.
    Es war nicht das erste Mal, daß ich die Gewölbe und Verliese, die Gänge und Kammern der Engelsburg durchwanderte, immer auf der Suche nach Zeichen, die in die Vergangenheit führen, in bisher Verborgenes, Verstecktes …
    Der Führer räusperte sich bedeutend und schloß eine schwere Eisentür auf. »Wir verlassen jetzt die Räumlichkeiten, die den normalen Besuchern zugänglich sind.«
    Hinab ging es durch dunkle Gänge. Es roch muffig, nach Moder und Verwesung, nach jahrhundertealten Seufzern und verlorenem Stöhnen. Giovanni del Drago begann ein Liedchen zu pfeifen. Vor uns tanzte der Lichtkegel der starken Taschenlampe, mit der unser Führer den Weg in die Unterwelt zu beleben versuchte.
    »Es gibt Verliese, die in Katakombentiefe liegen. Manche wurden später zugeschüttet, um die Erinnerung an die Menschen, die hier einen qualvollen Tod fanden, zu ersticken. Aber wer feine Ohren hat, kann noch immer ihre Schreie hören.«
    Er öffnete eine knarrende Tür und ließ Licht in das feuchte Dunkel einer Kerkerkammer fallen. Drei magere Ratten huschten aufgescheucht über den staubigen Boden und schienen sich in Nichts aufzulösen.
    »Hier lag und litt sie, Marozia, die Tochter des Theophylactus und der Theodora, die Herrscherin Roms und heimliche Päpstin, hier, an diesem Ort von Finsternis und Elend.« Seine Stimme bebte. Ich weiß nicht, ob aus Mitleid oder heimlicher Bewunderung.
    Der Lichtkegel seiner Taschenlampe glitt langsam über die schwarzglänzenden Wände aus schweren Quadern.
    »Nur ich weiß, daß sie Spuren auch in dieser Gruft hinterlassen hat – hier!«
    Mit einer emphatischen Bewegung wies der Führer auf eingeritzte Zeichen in der Wand. Ich trat näher. Es waren griechische Buchstaben, schwer erkennbar unter dem Schimmel der Jahrhunderte: αταραξία , las ich, ataraxia, ein Wort des altgriechischen Philosophen Epikur, das meist mit Seelenruhe übersetzt wird. In dieser Umgebung erschien es mir wie ein höhnischer Kommentar.
    Auch Fürst del Drago näherte sich der Wand, schaute über seinen Brillenrand und studierte die Buchstaben.
    »Daß Marozia Griechisch beherrschte, ist unwahrscheinlich. Vermutlich wich ihr eine treue Sklavin in den schwersten Stunden nicht von der Seite.« Der Führer flüsterte nur noch. »Achten Sie auf das Echo der Stimmen: Wie flehende Geister rufen sie nach uns.«
    Fürst del Drago lachte kurz auf. »Sie hieß Aglaia, war eine gelehrte Griechin, kam aus dem byzantinischen Reich …«
    »Wer?« fragte der Führer leicht verwirrt.
    »Marozias Sklavin. Ataraxia anzustreben war das Motto ihres tapferen Lebens. Die beiden Frauen müssen hier tatsächlich …«
    »… eingegangen sein in das Höllenreich, verleumdet von der Nachwelt, die sich auf das Buch der Vergeltung des Bischofs Liutprand von Cremona stützt?«
    »Richtig, auf das Werk eines voreingenommenen, geschwätzigen Frauenhassers.«
    Der Führer stand bereits in der Tür, sorgsam jeden Kontakt mit den schmierigen Wänden vermeidend. »Habe ich Ihnen zuviel versprochen?«
    »Nein, das griechische Wort ist der Beweis.«
    »Im Vatikan will man nicht mehr an Marozia, ihre Mutter Theodora und die mörderischen Päpste der damaligen Zeit erinnert werden. ›Aus dem zehnten Jahrhundert, dem saeculum obscurum , gibt es keine neuen Quellen‹, behauptet der Archivar, mit dem ich sprach, ein verlogener Glatzkopf. Sie kennen ihn?«
    Die Frage richtete sich an den Fürsten, der jetzt mit mir in den dunklen Gang trat. Giovanni del Drago nickte.
    »Sie haben fast alles vernichtet, was es an verräterischen Dokumenten gab, schon früher, teilweise vor Jahrhunderten – die würdigen Kardinäle, die ernsten Bischöfe, der von seiner Mission erfüllte Papst. Wer will schon gerne an die mörderischen Jahrzehnte der sogenannten Hurenherrschaft erinnert werden, die über tausend Jahre zurückliegt.«
    Als wir uns verabschiedeten, senkte der Führer seine Stimme: »Im Vatikan gab es schon immer Verschwörungen zur Unterdrückung der Wahrheit, bestochene Lohnschreiber und Geschichtsfälscher. Erwähnen Sie bitte nie meinen Namen! Ich hätte Ihnen nicht einmal diese Verliese zeigen
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