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Am Ende ist da nur Freude

Am Ende ist da nur Freude

Titel: Am Ende ist da nur Freude
Autoren: David Kessler
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Vorwort
    Wenn ich gefragt werde, was ich beruflich mache, zucke ich immer ein wenig zusammen und weiß im ersten Moment nicht so recht, was ich sagen soll. Soll ich sagen, dass ich Bücher über den Tod und das Sterben schreibe? Oder soll ich lieber sagen, dass ich ursprünglich Krankenpfleger war und heute am fünftgrößten Klinikum in Los Angeles ein renommiertes und einzigartiges Programm zur Begleitung am Ende des Lebens leite? Soll ich sagen, dass ich Experte im Traumateam der Polizei und Mitglied im Katastrophenteam des Roten Kreuzes bin? Oder dass ich eine Pilotenausbildung gemacht und bei zwei Flugzeugabstürzen mitgearbeitet habe?
    Ich weiß, dass das verwirrend sein kann. Deshalb sage ich oft, ich sei eine Mischung aus alledem. Im Unterschied zu meiner Mentorin Elisabeth Kübler-Ross, die zumeist im Rahmen der krankenhäuslichen Versorgung mit dem Thema Tod gearbeitet hat, bin ich als moderner Thanatologe ausgebildet; mit anderen Worten: Ich habe es nicht nur mit dem Tod in Krankenhaus oder Hospiz zu tun, ich arbeite auch an Tatorten von Verbrechen, bei Flugzeugabstürzen,
ja sogar bei Angriffen mit biologischen Waffen. Ich folge dem Tod, wohin er mich auch ruft. Wenn ich mir rückblickend die Gründe anschaue, warum ich diesen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen habe, so kann ich erkennen, dass meine Berufswahl nie zufällig war. Es war mir bestimmt, der zu werden, der ich heute bin, und zwar wegen eines ganz bestimmten Tages in meinem 13. Lebensjahr.
    Meine Mutter hatte fast mein ganzes Leben lang mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. An Silvester 1972 kam ich in ihr Schlafzimmer, wo sie krank im Bett lag. Ich gab ihr einen Kuss und sagte: »Mam, 1973 wird es dir bestimmt besser gehen.« Nur wenige Tage später wurde sie aufgrund eines schweren Nierenversagens aus dem Krankenhaus an unserem Ort in ein anderes verlegt, das größer und besser ausgestattet war.
    Wenn wir es uns leisten konnten, übernachteten mein Vater und ich manchmal in einem Hotel, das dem Krankenhauspark gegenüberlag. Meist saßen wir im Empfangsbereich des Krankenhauses, denn meine Mutter lag auf der Intensivstation und durfte nur alle zwei Stunden zehn Minuten lang Besuch haben. Eines Morgens, gerade als wir Mam wieder besuchen wollten, brach um unser Hotel herum plötzlich Hektik aus. Die Menschen draußen fingen an zu rennen, denn es fielen Schüsse. Ganz offensichtlich hatte sich ein Heckenschütze auf dem Gebäudedach verschanzt. Innerhalb von Sekunden war überall Polizei, und die Menschen liefen in die umliegenden
Gebäude, um Deckung zu suchen. Für ein Kind, das tagelang völlig gelangweilt im Krankenhaus herumgesessen hatte, war das ganz schön aufregend.
    Schließlich konnten Dad und ich doch noch zu Mam. Im Krankenhaus sagte man uns, sie habe nicht mehr lange zu leben. An jenem Tag starb sie ganz allein, aber so war das damals eben. Der Familie (besonders den Kindern) war es oft nicht gestattet, in den letzten Augenblicken eines Menschen bei ihm zu sein – und wenn doch, waren sie auf das Wohlwollen des Pflegepersonals angewiesen. Widerwillig ließ der Arzt meiner Mutter schließlich meinen Vater zu ihr, mich jedoch nicht. Als die Krankenschwester kam, um Dad in Mams Zimmer zu führen, ging ich einfach mit, in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden.
    Die Schwester führte uns an das Bett mit dem leblosen Körper meiner Mutter. Und so schwierig es auch war: Ich fühlte mich doch erleichtert, dass ich sie noch einmal sehen konnte, ohne all die Maschinen und Schläuche. Mit ihr allein sein konnten wir allerdings kaum, denn es lagen noch 17 weitere Patienten auf der Station. Außerdem blieb die Krankenschwester, die uns hereingeführt hatte, die ganze Zeit in unserer Nähe. Sie ließ uns nicht einen Augenblick allein, immer bereit, uns sofort wieder wegzuführen, sobald die kurze Zeit, die sie uns zugestanden hatte, vorbei wäre.
    Noch bevor der Tag um war, flog ich das erste Mal in einem Flugzeug. Weil meine Mutter gerade gestorben
war, luden mich die Piloten ein, zu ihnen ins Cockpit zu kommen und ihnen beim Fliegen zu »helfen«. Sie hatten es gut mit mir gemeint, und ich schätzte das auch, aber die wohlwollende Geste war reine Verschwendung. Ich erinnere mich deutlich, wie ich aus dem Fenster schaute und mir völlig verloren und überfordert vorkam. Ich wusste, so wie ich den Tod bei meiner Mutter erlebt hatte, sollte er eigentlich nicht sein.
    Wenn ich mir heute meine Berufswahl anschaue – der Umgang mit dem Tod
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