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Nackt

Nackt

Titel: Nackt
Autoren: David Sedaris
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Schlafzimmerfenster sehe, merke ich, dass viele der heutigen Besucher in der Kirche waren. Männer, Frauen und Kinder stehen neben ihren Autos und ziehen ihre nüchternen Kostüme aus. Die Anzugsjacketts und Kleider werden sorgsam zusammengefaltet und auf Rücksitze gelegt. Es wäre schrecklich, sich hier aus seinem Auto auszusperren, denn der nächste Drahtkleiderbügel hängt wahrscheinlich erst in fünfzehn Meilen Entfernung. Wahrscheinlich wäre es auch schrecklich, hier ein Bügeleisen zu suchen, aber wenn man eine Bibel braucht, hat man kein Problem. Die Regale im Klubhaus sind voller religiöser Bücher und Schriften, und mehrere FKKler waren neulich bei der Christian Nudists Conference, die auf einem Gelände in Ost-North Carolina abgehalten wurde. Einer der heutigen Besucher war presbyterianischer Geistlicher, ein rundlicher Mann mit Sommersprossen im Gesicht und Daffy Duck auf den Arsch tätowiert. Er trug es mit Stolz und lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit auf einen Körperteil, den Gott der Herr eindeutig nicht mit Muskeltonus oder reiner Haut gesegnet hatte. Der Schnabel des Erpels war aufgebläht und er schien an einem Ausschlag aus Erdbeeren zu picken.
    Es gab heute eine ganze Reihe neuer Gesichter zu sehen. Ein schwarzer Mann erschien in Gesellschaft zweier enormer weißer Frauen, deren Körper zwiefach eine Masse walzenförmig angeordneten, grübchenbehafteten Fleisches waren. Fett quoll über ihre Knie, und ihre Bäuche fielen wie schwere Säcke mit Vogelfutter, bedeckten ihre Scham und hingen bis halb über die Oberschenkel. Beine wie Baumstämme mündeten schnurstracks in Sandalen und ließen dabei Dinge wie Fußknöchel oder Waden unerwähnt. Die Frauen blieben unbemerkt, doch nicht so der Mann. «Wer ist der farbige Typ?», fragten alle. Es war, als trüge er einen Speer und dazu eine Halskette aus Schrumpfköpfen. Man spekulierte, er sei Zuhälter oder handele mit weißen Sklavinnen und sei auf der Suche nach naiven Nudistenmädchen aus der großen Stadt gekommen. Ich hielt mich beim Schwimmbecken auf, als der schwarze Mann im Gespräch mit Dusty erwähnte, er habe zwei Söhne in Penn State.
    «Das ist hart», sagte Dusty. «Ich habe selbst einen Neffen im Gefängnis und weiß, was du da durchmachst. Wann kommen deine Jungs denn wieder raus?»
    Das war der erste Tag, an dem ich das Haus vollständig nackt verließ, ohne auch nur an ein T-Shirt gedacht zu haben. Plötzlich kam es mir ganz normal vor, die Zigaretten in die Socke zu stecken und nur mit einem Handtuch vor die Tür zu gehen. Der Tag war bedeckt gewesen, der Himmel war fach und senffarben. Als ich gerade die Hoffnung auf eine Auffrischung meiner Sonnenbräune begraben wollte, kam die Sonne heraus, und Hunderte von Menschen strömten Richtung Pool. Die Luft füllte sich mit dem Duft von Bräunungslotion und vom Spiel- bis zum pétanque- Platz wurde Wohlwollen verströmt. Die verschiedenen Sonnendecks, -Gehege und -Pferche waren voll ausgelastet und ich wanderte auf der Suche nach einem Platz für mein Handtuch umher. Duke und Roberta hatten einen Tisch neben dem heißen Whirlpool, ich setzte mich zu ihnen und lauschte mit ihnen einer Frau in den frühen Fünfzigern. Die Frau sprach von einem Nudisten-Kurort in Arizona, wo eine Nacht Lagern nur fünf Dollar kostete. «Und», sagte sie, «jetzt kommt’s: Die holen einen sogar kostenlos am Flughafen ab und fahren einen aufs Gelände! Es ist ganz herrlich da und die Menschen? Ich kann, glaube ich, sagen, dass es in Arizona ein paar großartige nackte Menschen gibt; lasst euch da bloß nichts anderes erzählen.»
    Ich hörte ihr gute zehn Minuten lang zu, bevor mir klar wurde, dass ihre rechte Brustwarze fehlte. Nicht die Brust, nur die Warze. Die Chirurgen hatten ausgezeichnete Arbeit geleistet, die Narbe war kaum zu sehen und ähnelte einem winzigen Stück Angelschnur. Es war, als hätte ich entdeckt, dass jemand sechs Finger hat statt fünf. Wäre sie die erste Nudistin meines Lebens gewesen, hätte ich das sofort bemerkt, aber es gehörte zu meinem unbekümmerten Umgang mit der eigenen Nacktheit, dass ich sie bei anderen nicht mehr wahrnahm.
    «Betsy ist ein richtiger Mensch», sagte Roberta, nachdem die Frau gegangen war. «Und mir gefällt, was sie mit ihrer Möse gemacht hat. Sieht echt niedlich aus. Mir würde so was eher nicht stehen. Aber ich bin ja auch grobknochiger.»
    Ich hatte nichts Ungewöhnliches bemerkt und blickte über den Rand des Sonnendecks, wo die Frau sich
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