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Nackt

Nackt

Titel: Nackt
Autoren: David Sedaris
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prima Idee, Dusty und die Blumen sind wunderschön.»
    «Damit hast du verdammt recht, dass sie wunderschön sind. Da, wo du herkommst, könnte man wahrscheinlich keine Toilette im Vorgarten aufstellen.»
    «Nein, Dusty, das wäre wahrscheinlich keine sehr gute Idee.»
    «Sie würde nämlich vollgeschissen, das würde sie nämlich! Die New Yorker würden einmal um den Block Schlange stehen, um dir in den Vorgarten zu scheißen, im Gegensatz zu hier.»
    «Ja, im Gegensatz zu hier.»
    «Hier draußen ist es doch richtig schön still. Man kann sich selbst denken hören!»
    Ich stimmte ihm zu und sagte: «Ja, es ist ganz herrlich. Kein Diebstahlalarm, keine Sirenen. Das einzig Aufregende hier ist dieses laute Furzgeräusch jeden Abend bei Sonnenuntergang.»
    «Gefällt dir das?», sagte er. «Das bin ich! Ich habe nämlich einen Schlauch, sooo lang, und versuche jeden Abend zu üben. Keine Trompete, nicht so was Schickes, nur ein langes Stück Plastik. Der alte Pete Manchester in Parzelle 37 hat eine Muschel, ein sogenanntes Tritonshorn, und die setzt er an die Lippen, und dann tuten wir uns an, nur so zum Zeitvertreib. Die meisten Menschen sind bei Einbruch der Dunkelheit in ihren Häusern und spülen Geschirr; nicht so ich! Ich habe kein Geschirr zu spülen, weil ich ausschließlich rohes Gemüse esse. Aber ja. Ich versuche, richtig zu leben und jeden Tag eine halbe Meile zu schwimmen. Wenn es bewölkt ist, und das Schwimmbecken geschlossen ist, schlüpfe ich einfach unter die Plane, wenn keiner kuckt! Das ist natürlich heute kein Problem!»
    Dusty stellte einen Fuß auf den Rand meines Liegestuhls. «O ja, heute Nachmittag haben wir ein ganz exzellentes Wetterchen. So schönes Wetter findest du bestimmt nicht da, wo du herkommst.»
    Ich stimmte ihm zu.
    «Sonne, blauer Himmel und nur der Hauch einer Brise: besser könnte es gar nicht kommen.» Er rückte seine Sonnenbrille zurecht und kratzte sich am Fußballen. Es waren etwa ein Dutzend Nudisten da, die Sonne tankten. Die Menschen kamen und gingen. Sie machten einen großen Bogen um den Swimmingpool, um Dusty nicht über den Weg zu laufen, der sich immer umdrehte, wenn er das Eingangstor hörte, und «Phyllis!», brüllte. «Wann kommt ihr endlich mal vorbei und seht euch meine Schildkröten an?»
    «Cody und ich haben es ganz fest vor, Dusty, wir hatten nur so viel mit unserer neuen Sonnenterrasse zu tun.»
    «Aha. Schon verstanden. Mit einer nagelneuen Sonnenterrasse bin ich natürlich kein Umgang mehr für euch. Alles klar.»
    Auf der anderen Seite des Beckens erhob sich ein stämmiger, gutaussehender junger Mann von seinem Liegestuhl, ging in die Sauna, in den Whirlpool, ins Schwimmbecken und legte sich wieder auf seinen Liegestuhl. Er hatte eine Tageskarte und war offenbar entschlossen, seine zwanzig Dollar auszunutzen. Neben ihm saß das Ehepaar, das ich auf dem Tennisplatz gesehen hatte, und daneben blätterte eine drahtige, grauhaarige Frau in ihrem Sports Illustrated. Die 14-Uhr- pétanque- Partie hatte begonnen, ich konnte das schwache Klicken von Metallkugeln und den vertrauten Aufschrei «Toller Wurf. Gratuliere, gratuliere» hören. Der junge Mann rotierte gerade zum fünften Mal, und ich bewunderte seinen Arsch, der prall und makellos war, hoch und fest genug, dass man den Pokal hätte drauf stellen können, den ich ihm im Geiste als 1. Preis für herausragende körperliche Leistungen verliehen hatte.
    «Hast du schon mal einen Komposthaufen gesehen?» fragte Dusty. «Ich hab in meinem Hintergarten einen am Laufen, und du würdest staunen, was da alles los ist. Alle Arten von Geschöpfen schauen vorbei, um ein bisschen davon zu knabbern: Stinktiere, Vögel, süße, kleine Backenhörnchen. Außerdem natürlich die guten, alten Fliegen und Maden, die sich gern schon mal einbuddeln, wenn alles schön mulschig ist.»
    Ich spürte, wie ich brannte; mein Fleisch spannte sich und trocknete aus. Im Spiegel von Dustys Brillengläsern konnte ich sehen, wie mein Gesicht die rosa Periode überwunden hatte und tiefrot und feurig angelaufen war.
    «Tut mir leid, Dusty, aber ich muss in meinen Hänger und mich mit Sonnenöl einreiben.»
    «Ach», sagte er, «teilst du mir auf diese Weise mit, dass ich dich langweile? Bin wohl nicht so aufregend wie all deine Freunde in der großen Stadt?»
    Er belästigte mich weiter, während ich mir mein T-Shirt anzog und mein Handtuch zusammenfaltete. «Macht man das so, da, wo du herkommst, dass man einfach weggeht, während die
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